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588 Psychische Studien. XVIII. Jahrg. 12. Heft (Deeember 1891.)
c) Robert Hamerling der Dichter wird als „Philosoph"
nach seinem Tode auch in den „Grenzboten" Nr. 23 vom
4. Juni er. wegen seines posthumen Werkes: — „Die Atomistik
des Willens"—(vgl. Kurze Notiz sub a) von einem Ungenannten
in einer längeren Besprechung gewürdigt. Wir heben daraus
nur eine gegen den modernen Spiritualismus gerichtete
Stelle hervor. „Wenig schmeichelhaft klingt auch," - heisst
es S. 473 ff. —, „was Hamerling über die Gestalt schreibt,
die der Mystizismus heutzutage angenommen hat (II, 140 ff.):
'Wohin sind die stigmatisirten weiblichen Heiligen, die
ekstatischen Jungfrauen früherer Jahrzehnte im katholischen
und die Seherinnen im protestantischen Deutschland gekommen
, welche im magischen Traumschlaf Bände voll
höherer Weisheit in die Feder ihrer Aerzte diktirten?
Heute erscheinen zwar die Geister der Weisen selbst aus
dem Jenseits, aber es ist nicht 'höhere Weisheit', sondern
meist 'höherer Blödsinn*, was sie sagen oder auf Schiefertafeln
schreiben. . . Es scheint, dass jede Zeit wie jedes
Volk die 'Geister' besitzt, die sie verdient... Dehnte wirklich
die kleine Nervenwelt makrokosmisch sich bis hinter die
Coulissen dieser Welt ins Jenseits aus, so muss ich sagen,
dass diese Vorstellung mir die ganze Freude an der Welt
verderben würde, dass diese ganze irdische Existenz anfinge,
mir unheimlich zu werden, und dass ich verzweifeln müsste
am Grossen, Schönen und Erhabenen, das ich ursprünglich
in ihr fand. Ich würde nicht mehr in einem ,Kosmos' und
unter der Herrschaft einer sittlichen Weltordnung zu
existiren glauben, sondern in einer Welt von burschikosem,
gemein-komischem Charakter, umschwirrt von unsichtbaren
Rüpelseelenschwärmen, deren Zahl ja, seit Menschen leben
und sterben, schon ins Unendliche sich vermehrt haben
müsste.' — Nun, das Jenseits der Rüpelseelen schenken
auch wir den Abonnenten der 'Sphinx'; aber Hamerling
kennt überhaupt kein Jenseits u. s. w." — In Allem ist der
Recensent nicht mit H. einverstanden, so z. B. nicht über
seinen Atheismus und seine Religionsverachtung. Auch
vertritt der Recensent keineswegs iT.'s Verleugnung des
Jenseits, „in dem doch der unschuldig Leidende entschädigt
werden wird." Dass er aber so wenig wie Hamerling die
wirklichen Lehren der „Sphinx" und verwandter Journale
kennt, beweist seine obige Mittheilung. Wer an das Jenseits
glaubt, hat die Rüpelseelen diüben wenigstens hübsch von
sich gesondert, wer nicht daran glaubt, hat sie nur diesseits,
aber er hat sie doch auch! In beiden Fällen werden ihnen
überlegene Geister hoffentlich noch mit ihnen fertig werden
und sie zu Paaren treiben. Aus blosser Furcht vor Rüpelseelen
im Jenseits giebt man ein solches doch nicht auf*
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