Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
19. Jahrgang.1892
Seite: 2
(PDF, 168 MB)
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2 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1892.)

Tochter wandelte zwischen den Grabreihen, die Inschriften
lesend. Plötzlich ruft sie mir zu: — „Mama, schau! da
lugt eine Sargecke hervor!"

Der Friedhofwärter erklärte uns: — „Gestern starben
in der Familie eines hiesigen Hauptmannes vier Kinder an
der Diphtherie. Des hohen Feiertages wegen wollte
Niemand ein Grab höhlen; deshalb bedeckten wir die Särge
einstweilen nur leicht mit Erde, um sie dann nach den
Feiertagen zu versenken.4*

Bei diesen Särgen muss meine Tochter Ansteckungsgift
eingeathmet haben ; denn schon am Abende desselben Tages
klagte sie über Stechen in den Schläfen, Schwindel, Uebel-
keit, Halsschmerz. Der sofort herbei gebetene Arzt ceastatirte
Diphtherie. — Schon im Entstehen zeigte die Krankheit
einen äusserst bösartigen Charakter, und die Aerzte sahen
bald all ihr Mühen erfolglos. Schon am dritten Tage wurde
„gangrenose Diphtherie4' befunden. Durch acht Tage
schwankten die Fieberbewegungen zwischen 40 und 43° C.
Die Aerzte und wir sahen das Kind unrettbar verloren.
Einer der Aerzte, den wohl meine stumme Verzweiflung
erschütterte, und der vielleicht einen Vorwurf in meinem
Blicken las, Vorwurf und Klage darüber, dass ärztliches
Wissen, Erfahren und Können sich machtlos zeigten, da
qs galt, unser einziges Kind, unsere Lebensfreude zu retten,
sprach zu mir mit trauriger Stimme: — „Wir versäumten
nichts: möge Gottes gütige Hülfe schwachem Menschen-
körnen gnädig sein!44 —

Angst und Schmerz hatten meine Sinne geschärft, und
so hörte ich den Arzt im anstossenden Saale meiner
Schwägerin zuraunen: — „Gegen Morgen wird sie ausgelitten
haben.44 — Das war gegen 10 Uhr Abends. Ueber
meinen Schmerz schweige ich, der lässt sich nicht in Worte
fassen! — Jetzt wollte ich allein sein mit meiner Tochter
und ersuchte deshalb alle, sich zur Ruhe zu begeben; ich
würde rufen, wenn irgend etwas Schlimmes eintrete.

So sass ich denn allein beim Lager meiner geliebten
Tochter, deren hei&ses Händchen mit meiner eiskalten Hand
umschlungen haltend, jeden ihrer Athemzüge, jedes Röcheln
mit innerstem Gebete begleitend.

Gegen 1 Uhr setzte das Röcheln aus; konvulsivische
Erstickungsanfälle wechselten mit Pausen, in denen das
Kind wie todt ausgestreckt lag, ohne jede Athembewegung;
ihre Züge waren entstellt; kalter Schweiss rann von ihrer
Stirne. Ich fühlte: — „das sind die letzten Momente!44 Da
entrang sich meiner Brust der Ruf: — „Sophie, Du bist


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