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Kurze Notizen
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„Gedichte" verantwortlich wären, die das betreffende Medium
im hypnotischen Zustande verbrochen! Im Uebrigen ist die
von Lombroso zugegebene Eigenschaft der sogenannten
„Mediumität" durchaus nichts Beneidenswerthes; im Gegen-
theil ein Zeichen zerrütteter Gesundheit. Eusebia Paladine
das Medium von Neapel, hat von einem Sturz in ihrer
Kindheit her ein Loch im Schädel und fällt bei den Seancen
in epileptische Krämpfe. — Interessant ist noch, was
Lombroso über die von ihm, wenn nicht entdeckte, so doch
legitimirte geheimnissvolle Fähigkeit des Gehirns äussert:
— „Das menschliche Gehirn ist mitunter im Stande, als
Sinn zu dienen, so dass ein Blinder unter Umständen im
Stande ist, mit dem Gehirn zu sehen, wie ein Sehender mit
den Augen" (?).
Am Schlüsse des „Interviews" äussert Lombroso, — der
übrigens noch keine Beweise für die „Unsterblichkeit der
Seele" gefunden haben will —, er und seine Schule würden
sich von nun an, nachdem eine einzige „Seance" seine
wissenschaftlichen Ueberzeugungen von dreissig Jahren über
den Haufen geworfen, mit besonderem Eifer mit der Frage
des „Spiritismus" beschäftigen. (!)
Mögen inzwischen Lombroso und Genossen nach
Herzenslust sich in diesem metaphysischen Labyrinthe ergehen
; unsere eigene Aufmerksamkeit wendet sich zum Glücke
wieder irdischen, und zwar sehr irdischen Dingen zu, nüchtern
und mystiklos im höchsten Grade, aber doch nicht frei von
jenem romantischen Schimmer, der unser Jammerthal immer
mehr zu fliehen beginnt u. s. w." —
Wir bezweifeln keineswegs die von Dr. Barth durch
sein eigenes Fragezeichen beanstandete Richtigkeit der Herrn
Lombroso zugeschriebenen Stelle über das menschliche Gehirn
als Sinn, denn alle unsere Sinne wurzeln ja in demselben,
und wir werden über die mediumistischen Forschungen Lombroso
^ gelegentlich weitere Berichte bringen.
b) Wien, 3. November. — Ein merkwürdiger Fall von
hysterischer Katalepsie wurde in der verflossenen
Woche in Linz an einem 20jährigen, hübschen, kräftigen
Bauernmädchen aus Kopfing bei Schärding beobachtet. Das
Mädchen verfällt — so lesen wir in der „Linzer Tgp." —
zu gewissen Tageszeiten, und zwar zumeist von halb 11 bis
gegen 12 Uhr Mittags und von 7 bis nach 8 Uhr Abends
in einen starrkrampfartigen Schlaf, in welchem Zustande
dieselbe zuerst lateinische Citate und Stellen aus Gebeten
ziemlich deutlich spricht und sodann eine Predigt über das
Rosenkranzgebet in deutscher Sprache hält* Da diese
Erscheinung in dem Stadttheil, in welchem das Mädchen
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