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58 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1892.)
Vor uns waren spiritistische Versuche mit demselben
Medium in Herrn Ciolfi1* Gegenwart von dem berühmten
Psychiater Professor Lombroso unternommen worden, und
das Ergebniss derselben war, dass der Mann der positiven
Wissenschaft an Herrn Ciolfi einen Brief richtete, in welchem
er sich für geschlagen bekannte. Der Brief ist vom 25. Juli
dieses Jahres 1891 und hat folgenden Wortlaut: —
„Mein Herr! Der mir von Ihnen eingesandte Bericht
„entspricht dem Sachverhalte genau. Die Ehrlichkeit des
„Mediums und dessen halbunbewusster Seelenzustand
„(während der Sitzung) steht für mich ausser Zweifel.
„Ich bin sehr beschämt und betrübt,, die Möglich-
„keit der sogenannten spiritistischen Erscheinungen
„mit solcher Hartnäckigkeit geleugnet zu haben.
„Ich spreche von den Erscheinungen, denn die Theorie
„theile ich nicht. Die Thatsachen bestehen, und ich
„habe mich stets gerühmt, ein Sklave derselben zu
„sein.
Genehmigen Sie u. s. f.
Ihr ergebenster
C. Lombroso."
Das Bekenntniss ist bedeutungsvoll! Wenn es indessen
wahr ist, dass man über die Theorien verschiedener Ansicht
sein kann, und weder Spiritisten noch Occultisten zu folgen
braucht, so scheint es uns dennoch fest zu stehen, dass
die Hypothesen, welche Professor Lombroso in der Zwischenzeit
aufgestellt hat, und auf welche später zurückgekommen
werden soll, nur das alte Wort voll Demuth und Ergebung
unseres grossen Trösters Baruch Spinoza ins Gedächtniss
zu rufen geeignet sind: —
„Refugimus ad asylum ignorantiae!"
„Wir flüchten uns ins Asyl der Unwissenheit!"
Es regnete in Strömen, als wir (ich bitte unter diesem
„wir" nicht den Majestätsplural, sondern mich und
Dr. Barth vom „Berliner Tageblatt" zu verstehen,) als wir
uns in später Abendstunde, gegen den ausbedungenen
Fährlohn einer gezählten halben Lira, von einem in
Geberden und \7orten überaus beredten Automedon den
weiten Weg hinaufziehen liessen. Von Herrn Ciolfi
freundlich empfangen, wurden wir sogleich seinem Schwager
Cavalli vorgestellt, einem schönen Manne, dem ein unheilbares
Leiden die Zeichen weltflüchtiger Ergebung ins blasse
Antlitz geprägt hat.
Herrn Cavalli gereicht es zur Freude und Beruhigung,
in das Reich der Geister einzudringen und mit ihnen zu
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