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84 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1892.)
lebhafter Erinnerung. Wir sind jedoch Herrn Dr. Ullrich
dankbar für den Muth, mit dem er seinen Glauben an die
Echtheit dieser Phänomene vertheidigt, welche „die
wunderbare Macht des Menschen g e i s t e s über den
Menschen 1 eib" dokumentiren und „allen bekannten
Naturgesetzen zu widersprechen scheinen". Aus unseren
früheren Artikeln über indische und mohamedanische
Fakire (s. „Psych. Stud." XV. Jahrg. 1888 S. 135. 182, 334,
478 ff.) sind die meisten der auch hier mitgetheilten Pro-
ductionen, welche mit eintönigem Singsang bei Schellentrommelklang
beginnen und in rasende Tänze und Bewegungen
ausarten, unseren Lesern schon zur Genüge bekannt. In
dem dadurch erregten ekstatischen Zustande sind sie (nach
ihrem Glauben) vom Geiste des heiligen Ben Äissa, ihres
Ordensstifters, besessen und „durch diese Einwohnung gefeit
gegen Hieb und Stich, gegen Feuer und Gift. In diesem
Zustande spielt der Fakir auf Geheiss seines Scheichs die
Rolle eines Strausses, Kameles, Löwen u. s. w. und verrichtet
alles, was ihm geboten wird. Auf einen Wink seines Vorgesetzten
fährt er schnell mit der Hand in die Kohlenpfanne
, nimmt einige brennende Kohlen heraus, steckt sie
in den Mund, haucht sie so stark an, dass die Funken
sprühen, kaut und verschluckt sie dann«" — Er zermalmt
mit den Zähnen und verschlingt hartstachelige Oactuszweige,
zerkaut und zerknirscht wirkliches Glas ohne irgend welche
Verwundung der Zunge und des Mundes, berührt und
beleckt eine glühend gemachte Schaufel, stellt sich mit den
nackten Füssen darauf, bis das Eisen schwarz ward und
ein unangenehmer Geruch von verbrannter Hornhaut sich
verbreitete. Wer gedächte hierbei nicht an Mr, Hornel,
des berühmten englischen Mediums, in dem „Berichte der
Dialektischen Gesellschaft zu London" (deutsch. Leipzig,
Oswald Mutze, 1875) vorgeführte Experimente mit glühenden
Kohlen. Noch wenig bekannt ist folgendes: — ,,Jetzt
wurde ihm (dem Fakir) ein Laarscharf geschliffenes Schwert
gegeben, dessen Schärfe man dadurch bewies, dass darüber
hinweggezogenes Papier im Nu entzwei geschnitten wurde.
Er stemmte es abwechselnd mit der Spitze und Schneide
scheinbar mit aller Kraft gegen den Hals, gegen die nackte
Brust und Seite, ohne sich ira geringsten zu verletzen.
Alsdann wurde das Schwert mit der Schneide nach oben,
ungefähr drei Fuss vom Boden, wagrecht emporgehalten,
und zwar an der mit seidenen Tüchern umwickelten Spitze
von dem Diener, am Knauf von einem anderen Aissaut
Indem sich nun der Fakir an den Schultern der beiden
Männer festhielt, sprang er barfuss mit einem Satz auf die
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