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Wittig: Der Leipziger Geisterbeschwörer Schrepfer. H3
die ihm sehr bekannt vorkamen, denn der Oberkellner aus
dem Kaffeehause Schrepfer\ hatte sie tags zuvor in
Schlegefs eigenem Laden gekauft. Auch sonst machten
zweifelsüchtige Freunde oft Entdeckungen, welche ihren
Argwohn nur vermehren konnten: bei verriegelter Thür
konnten z. B. die Geister nicht herein. Bisweilen erschienen
dieselben in verschiedenem Licht in dem verfinsterten
Zimmer; es kam eben, so wurde erklärt, auf den Grad der
Seligkeit an, den sie drüben erlangt hatten, ob sie sich
weiss, oder rötblich, oder dunkelbraun zeigten. (Jm diese
Unterscheidung herbeizuführen, bedurfte es aber besonderer
Anstrengungen des Geisterbanners, der oft stundenlang
betend auf der Erde lag und dann mit Weihwasser, geweihten
Kerzen und einem Kruzifix, das er beschwörend
in der Luft umher schwang, die Macht seiner Bannsprüche
verstärkte. Schrepfer Hess, gegen die Sitte des Maurertüums,
auch Frauen in männlichen Kleidern an den Logenarbeiten
theilnehmen, überliess es auch bisweilen, wenn er verreist
war, seinen Zöglingen allein, die erlangte Zaubermacht zu
prüfen. Dabei machten diese aber sehr entmuthigende
Erfahrungen. Schlegel berichtet, wie ihrer sieben, obschon
sie sich mit wahrer Rührung der Seele und des Geistes der
Arbeit gewidmet hatten, doch nichts auszurichten vermochten
, wie kein Geist kam, und wie er selbst in dem
Zauberspiegel, in welchem er nach Schrepfer 's Ver-
heissung Wunderdinge schauen sollte, nichts gesehen habe
als sein eigenes altmodisches Gesicht und noch dazu mit
einem kahlen Kopfe. Dieser Jünger fing überhaupt an,
gefährlich zu werden; es regte sich in ihm der böse Geist
der Aufklärung, welcher prüfend umher tastete. So schloss
man ihn allmählich von den Versammlungen aus, in denen
die tieferen Geheimnisse der neuen Loge geoffenbart wurden,
und zuletzt wurde er ein Ungläubiger, der grollend beiseite
stand." —
Aus diesem Berichte Gottschall's, vorausgesetzt, dass er
chronologisch dem Tagebuche Schlegefs gefolgt ist, ersehen
wir, dass Schlegel, dem Gottschall, ohne ihn zu kennen, das
„Zeugniss eines ehrlichen braven Mannes, eines durchaus
anständigen Charakters4' beilegt, doch nicht ganz zuverlässig
in seinen Beobachtungen und Beschreibungen ist. Wenn
er vor Schrepfer1^ Erscheinen unter den sog. Altartisch
kriechen konnte, so musste er doch wohl unter den Zuschauern
Gesinnungsgenossen haben, die ihm dazu verhalfen,
und wenn er wirklich die bei ihm gekauften Schuhschnallen
am Fusse des einen Geistes entdeckte, so hatte er als
ehrlicher Mann die Verpflichtung, diese Beobachtung sofort
Psychifch« Studien. März 1892. 8
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