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Füllkruss; Einige Wahrträumo und Verwandtes. 155
habe ich auch sie nach ihrem Geburtsorte reisen lassen,
von dem sie 32 Jahre weg gewesen war. Die Ihrigen hatten
sie, aber auch sie diese, nicht mehr gekannt. Fast hätte
dieses Wiedersehen ihr das Leben gekostet. —
Ich weiss aber nicht, ob folgende Geistergeschichte
älteren schlesischen Volkssagen, oder der Neuzeit entstammt.
Ich wiederhole nur das, was mir meine Verwandten in der
Schule zu Waithersdorf, als ich zum zweiten und letzten
Male bei denselben zu Besuch war, nach meinem einsamen
Ausfluge auf das Bolzenschloss Ende October 1879 von
diesem erzählten. Gut war es, dass ich es vorher nicht
wusste, sonst wäre ich wohl nicht so allein hinauf gegangen.
Ich wollte gern noch einmal hinauf, weil ich von meiner
guten Mutter wusste, wie vergnügt sie als junges Mädchen
oft auf der alten Ruine gewesen war. Ohnehin habe ich
mich, weil ich das Burgthor verschlossen fand, da die
Wirthsleute ausgegangen waren, vor den alten düsteren
Mauern, bei denen es zu schneien anfing, zu fürchten angefangen
und bin eiligst die 8/4 Stunden Wegs zurückgegangen.
Da erzählte man mir: — Ein Forstbeamter aus der Umgegend
habe einstmals in der Mittagsstunde auf dem freien Rasenplatze
, links ausserhalb der Schlossmauern, eine feine
Gesellschaft junger Leute, anscheinend in der heitersten
Stimmung an einer schön gedeckten Tafel sitzend, gefunden;
aufgefallen sei demselben die lautlose Stille des Festes und
eine kleine Pforte in der Mauer, durch welche ebenfalls zur
Gesellschaft gehörige Personen aus- und eingegangen wären.
Der freie Basenplatz sei ihm sehr wohl bekannt gewesen,
nicht aber das Pförtchen; er habe auf seinen früheren
Vorübergängen dies noch nie gesehen. Sein nächster Besuch
auf dem Bolzenschloss galt nun der kleinen Pforte; so oft
pr aber auch allein und mit Anderen darnach gesucht habe,
sie war nicht mehr zu finden gewesen. Die Geschichte hat
mir viel Vergnügen gemacht, denn ich kenne den Rasenplatz
sehr wohl, es sind ganz einfache 11 olztische und Bänke
darauf angebracht. Ich habe mit meinen Verwandten bei
meinem ersten Besuche dort ausgeruht.
Einschaltend sei hier geschichtlich noch bemerkt, dass
diese alte Bur^ vom schlesischen Herzog Boleslav dem
Langen (1163- 1201) gegründet und im 30jährigen Kriege
1643 vom schwedischen General Torstensohn erobert und
niedergebrannt worden sein soll. Sie besteht nur noch aus
Trümmern, einem Chaos von Granitmassen und Gemäuer,
Steinhaufen, Sträucheru und Laub- und Nadelbäumen. Das
südlich gelegene Eingangsthor und ein über 50 Fuss hoher
Thurm an der Ostseite sind noch am besten erhalten. Am
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