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176 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 4. Heft. (April 1892.)
München — Ref.),*) — eine schlimme Nebenbuhlerin für
Annie Abbott, die ebenfalls dort sich zu zeigen gedenkt.
Nach diesen Vorbemerkungen gehe ich zu meinem eigenen
Ergebnisse über, aus welchem sich Jeder selbst den Schluss
ziehen kann." —
Und nun beginnt Herr Karl Blind — nicht etwa aus
der lebendigen Gegenwart eigene Thatsachen und scharfsinnige
Beobachtungen unter wissenschaftlich geschulten
Mitzeugen gegen die Echtheit der Dame vorzubringen,
sondern er berichtet aus der aschgrauen Erinnerung mit
den Einleitungsworten: — „Es ist wohl jetzt mehr als
dreissig Jahre her, dass die Londoner Vorstadt, in der
wir all die Zeit über gewohnt haben, durch die Ankunft
eines 'Magnet-Kindes' in grosse Aufregung versetzt
wurde, Viele Schriftsteller, Gelehrte, Künstler und eine
Anzahl wohlhabender Kaufleute haben in St. Johns-Wood
und dem jetzigen Süd-Hainpstead ihre Behausung. In der
Lese-Gesellschaft 'Athenäum*, welche damals durch öftere
Vorträge hervorragender Männer eine Art geistigen
Mittelpunktes bildete, erörterte man lebhaft die angekündigten
wunderbaren Kräfte des Magnet-Kindes. Es
war ein etwa sechzehn- oder siebzehnjähriges Mädchen,
welches seine Vorstellungen in denselben Räumlichkeiten
geben sollte, in denen jene Vorträge (von Thackeray und
Louis Blanc z. B.) gehalten wurden. Mir schien sofort, als
ich den Anzeige-Settel las, die ganze Geschichte auf einen
riesigen Humbug hinauszulaufen/' . . „Gerade wie eben
jetzt wieder, so wüthete damals eine Seuche des Wunderglaubens
in London. Nicht zufrieden mit den unerforsch-
lichsten Geheimnissen der Natur und ihrer mancherlei
schwer zu ergründenden Kräfte, schnappte man gierig nach
dem offenbarsten Schwindel. Es war die Blüthezeit der
geisterhaften Tischrückerei. Die Besprechungen über das
Wunderkind gestalteten sich daher oft heftig, wenn je ein
ungläubiger Thomas mit Zweifeln hervortrat, was indessen
die äusserste Seltenheit war. Nicht wenigen Menschen ist
die Neigung zur Selbsttäuschung (?) oder zur Täuschung
Anderer (!) so angeboren, dass sie jeden Versuch einer
ehrlichen, gewissenhaften Erforschung eines angeblichen
Wunders wie eine persönliche Beleidigung auffassen."
Aber diese weise Bemerkung gilt doch wohl, wie für
die Wunder gläubigen, ebenso auch für die Gegner alles
Wunderbaren? Wir finden Herrn Blind wirklich unter den
Prüfenden auf der Platform, woselbst zuerst ein riesiges
*) Siehe „Psych. Stud." Juli-Heft 1891 S. 312ff. — Die Red.
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