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188 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 4. Heft. (April 1892.)
Salz, Watte, geweihtem Wachs und einem Hörnlein besteht.
Nun, ist das nicht uralter Brauch ? Bei den Römern behütete
die „Dea cunina", die Schutzgöttin der Wiege, das Kind
vor Schaden und Zauber, sie trug am Halse das Bild des
Priapus. Am achten und neunten Tage sodann wurde das
Kind lustrirt und gegen den Zauber geweiht, namentlich
dadurch, dass man ihm allerlei Sächelchen und die Bulle,
eine Kapsel mit darin verborgenen Schutzmitteln, umhing.
(„Allgemeine Modenzeitung41 Nr. 2 v. 11. Januar 1892,
S. 31.) — Wir erinnern hierbei an den indischen Aberglauben
, einem Tiger die Ohren als Amulette zum Schutz
vor Gefahren abzuschneiden, in — „Ein Mahatma" — s.
„Psych. Stud." April-Heft 1892 S. 163. Ferner an den
bösen Blick von Hexen im Februar-Heft 1891 S. 95 ff.,
Januar-Heft 1890 S. 49 und Juli-Heft 1877 S. 333 sub c).
k) Suggestion und Verbrechen. — Die Frage, ob
ein Mensch unter dem Eiufluss der Suggestion ein Verbrechen
begehen kann, ist bekanntlich Gegenstand des
lebhaftesten Streites, der seinen Ausdruck bereits zu
wiederholten Malen vor dem gerichtlichen Forum gefunden
hat. Die Schule von Nancy, an ihrer Spitze Bernheim und
mit ihm Liebault, Lidgois, Beaunit, behauptet, dass manche
Somnambule uuter dem Einflass der Suggestion, sei es
während des hypnotischen Schlafes oder nach dem Erwachen,
verbrecherische Aufträge bereitwillig ausführen könne. Die
Pariser Schule ßharcot, Brouardel, Gilles de la Toiirette)
bestreitet diese Möglichkeit. Die Somnambulen, so meinen
diese letzten Autoritäten, führen nur die ihnen angenehmen
Suggestionen aus, die Verbrechen, die man sie ausführen
lässt, sind nur Lab Oratoriumsverbrechen. Ein junges Mädchen
schüttet auf Befehl ein angebliches Gift in ein Glas und
giebt es ihrer Mutter zu trinken, weil sie sich dessen bewusst
ist, dass es sich um einen Versuch handelt, und dass der
Auftraggeber nicht die Absicht hat, die Mutter zu vergiften.
Ein Mann stösst das ihm überreichte papierne Messer in
die Brust seines angeblichen Feindes, weil er von der Harmlosigkeit
des Gegenstandes überzeugt ist. Die Gefügigkeit
ist eben der Ausdruck des Vertrauens in die Person des
Hypnotiseurs und ein Zeichen des Bewusstseins, dass es
sieh um eine Komödie handelt. — Für eine gewisse Zahl
von Somnambulen giebt Bernheim diesen Einwand zu und
nimmt an, dass sie ihre Rolle ohne (Jeberzeugung spielen,
wie man auch im natürlichen Traum die schrecklichsten
Thaten begeht, Schiffbruch erleidet u. s. w., ohne die geringste
Erregung zu empfinden; wir bleiben gleichgiltig, als ob es
sich gar nicht um unsere Person handelte. Das Gefühl
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