http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1892/0198
190 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 4. Heft. (April 1892.)
sehen, aus der Hobelspähne hervorstehen. Zünden Sie diese
mit diesen Zündhölzchen an. Dann werden Sie zurückkommen
und sich an nichts mehr erinnern. Sie werden Niemand
sagen, dass ich es war, der Ihnen befohlen hat, hinzugehen
und die Hütte in Brand zu stecken/' — Sowie die Kranke
aus der Hypnose erwachte, erhob sie sich, schlug genau
den ihr vorgeschriebenen Weg ein und steckte die blaue
Hütte in Brand. Als sie mit voller Gemüthsruhe wieder
in den Saal getreten war und ihren Platz eingenommen
hatte, richtete einer der Anwesenden, B., an sie die Frage:
— Woher kommen Sie? — P. Ich bin ja nicht von der
Stelle gewesen. — B. Doch, man sah Sie das Zimmer verlassen
und in den Garten gehen. — P. Das war nicht ich.
— B. Doch, doch, man hat Sie ganz bestimmt gesehen,
und es schien sogar, dass Sie eine sehr böse That begangen
haben, Sie haben Feuer angelegt. — P. O nein, mein
Herr, das ist nicht wahr. — B. Doch, man hat Sie gesehen,
und man wird Sie einsperren. Sie haben soeben ein schweres
Verbrechen begangen, das Feuer hat auf mehrere Häuser
übergegriffen und zahlreiche Personen sind umgekommen;
dies Alles durch Ihre Schuld. — P. Aber ich weiss nicht,
was Sie von mir wollen. — B. Es scheint sogar, dass Sie
bei ihrer That von Jemand geleitet wurden. —- P. Aber
ich begreife Sie nicht. — B. Hat Ihnen nicht Herr Voisin
das Verbrechen anbefohlen? — P. Ich habe kein Verbrechen
begangen, und Herr Voisin hat mir nichts gesagt.
— Nun wird die Frau wieder hypnotisirt, worauf sich
folgender Dialog entspinnt: — Voisin: — Sagen Sie mir,
haben Sie die Hütte drüben in Brand gesteckt? — P. Ja,
mein Herr. — V. Wer hat Ihnen gesagt, dies zu thun? —
P. Sie selbst, mein Herr. —
Dieses Experiment beweist die Möglichkeit der Ausführung
eines Verbrechens unter dem Einfluss der hypnotischen
Suggestion. Hier kann der Einwand nicht geltend gemacht
werden, dass es sich um eine angenehme oder ungefährliche
Suggestion handle. In der That hätte die erwähnte
Patientin durch die Brandlegung grosses Unheil anrichten
können, wenn nicht nothwendige, ihr aber unbekannte
Vorsichtsmaassregeln getroffen worden wären. In gerichtlicher
Beziehung ist dieser Versuch deshalb von Wichtigkeit,
weil er beweist, dass eine Person ein Verbrechen begeben
kann, ohne wirklich schuldig zu sein, indem sie nur als
Instrument eines Anderen unbewusst handelt. Glücklicherweise
besitzt man in der Hypnose selbst ein Mittel zur
Entdeckung des eigentlichen Verbrechers.
/) Ein höchst seltenes Phänomen in der medi-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1892/0198