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248 Psychische Studie». XIX. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1892.)
am Tage vor seinem Tode summte er mit kaum vernehmbarer
Stimme: — 'Der Vogelfänger bin ich ja*, nachdem
er den Wunsch geäussert: — 'Einmal möeht* ich doch noch
meine Zauberflöte hören/ — Aber alle diese Gedanken
füllten nur die Erholungspausen aus, die auf Augenblicke
seinen der musikalischen Ausgestaltung des Requiem mit
unbeschreiblicher Hingabe zugewandten Arbeitseifer unterbrachen
. Mozart hatte dieses Werk in solchem Grad in
sein Herz geschlossen, dass er mit seinen Freunden jede
Nummer, sobald sie in der Hauptsache vollendet war, sofoit
aufführte. Während die Freunde sangen, spielte er die in
der Partitur nur flüchtig angedeutete oder überhaupt noch
nicht skizzirte Instrumentation auf dem Klavier. Am
4. December, einen Tag vor seinem Tode, liess er sich die
Partitur des Requiems auf sein Bett reichen; die Freunde
waren wieder anwesend; unter ihnen Hofer, Mozart4**
Schwager, und die Sänger Schack und GerL Schock markierte
den Sopran, Mozart sang die Altstimme, Hof er den Tenor
und Gerl den Bass. Sie sangen und waren eben zu den
ersten Takten des von Mozart mit besonderer Inbrunst
konzipierten 'Lacrymosa' [Mutter voller Thränen] gelangt,
als Mozart heftig zu weinen anfing und traurig die Partitur
bei Seite legte. Es ist dies jene rührende Scene, welche
Kaulbach*) in ihrer ganzen Wehmuth auf seinem ei-
schütternden Bilde 1 Mozarth letzte Tage* festgehalten. Als
am Abend desselben Tages Sophie Weber, Mozarth
Schwägerin, kam, sagte er zu ihr: — 'Sie müssen mich
sterben sehen, ich habe ja schon den Todtengeruch auf der
Zunge . . .', und seinem Schüler Süszmayr flüsterte er.
während er mit nassen Augen auf sein Requiem schaute,
die Worte zu: — 'Habe ich es nicht gesagt, dass ich es
für mich schreibe?1 — In der Nacht verlor Mozart das
Bewusstsein. Die erhabenen Requiem-Akkorde klangen in
seine Fieberphantasien hinein, er blies die Backen auf und
suchte mit dem Munde gewisse Paukeneffecte nachzuahmen.
* Gegen Mitternacht richtete er sich plötzlich auf, seine
Augen wurden starr, dann neigte er sein Haupt gegen die
Wand und schien einzuschlummern. Eine Stunde darauf
war er verschieden." — — Soweit PfohL Aus einem
anderen Artikel über Mozarth Nothlage entnehmen wir
noch, dass er bei seinem Tode 60 Gulden und mehrere
Tausend Schulden hinterliess.
*) Siehe über desselben Eaulbach%% Bild: — „Die öeisterseblachtu
in^Psyeh. Stud." December-Heft 1891 S. 580 ff. —
" Der Sekr. d. Red.
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