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Wittig: Ein Mahatma Mozart's vor hundert Jahren?
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Jahn gab sein Hauptwerk über Mozart in 4 Bänden
erst Leipzig 1856—59 heraus, und hat ebenfalls nur aus
NiemtscheW* und Nissen'* ersten Nachrichten geschöpft, welche
sich auf der Gattin Mozarfs directe Mittheilungen stützen.
Unser erster Bericht bleibt sonach der ursprüngliche. Wenn
in ihm die bestimmte Angabe des Fremden nicht wäre,
dass die Todtenmesse „für die verstorbene Gattin des
Bestellers" bestimmt sei, so würde man bei dem „sehr
angesehenen Manne", der ,,ein Kenner ist", nur auf den so
überaus musikliebenden König Friedrich Wilhelm IL von
Preussen rathen können, welcher dem Komponisten 1789 bei
dessen Besuch in Berlin die Stelle eines Kapellmeisters mit
3000 Thalern Gehalt angeboten, die aber Mozart bei nur
800 Gulden in Wien als kaiserlicher Kammerkomponist mit
den Worten ablehnte: — „Kann ich meinen guten Kaiser
verlassen?" — Jede weitere bessere Aussiebt wurde ihm
durch den baldigen Tod des Kaisers Joseph IL abgeschnitten
. Nur ein König konnte 150 bereits gezahlte
Dukaten so leicht und ohne sich um das dafür Bestellte
wieder zu melden, verschmerzen. Friedrich Wilhelm IL
trauerte zur Zeit noch tief über den Verlust seines mit
der Gräfin Rietz erzeugten achtjährigen Lieblingssohnes
Alexander von der Mark, welcher 1787 „unter eigentümlichen
Umständen" (vergl. „Psych. Stud." Juni-Heft 1887
S. 280) gestorben war, und dem der König im Jahre 1790
durch den berühmten Bildhauer Schadow in der Dorotheen-
städtiseben Kirche eins der herrlichsten Grabdenkmale», hatte
setzen labsen, ehe derselbe Künstler die Victoria des
Brandenburger Thores schuf. (Vergl. die Beschreibung dieses
Denkmals in „Psych. Stud." October-Heft 1890 S. 473 ff.)
Was liegt nun näher, als der Wunsch des Königs, eine
diesem wundervollen Denkmal entsprechend herrliche
Todtenmesse von einem der grössten Meister seiner Zeit zu
erhalten? Dass der Vertreter des Königs eine gestorbene
Gemahlin an Stelle eines gestorbenen Lieblingssohnes
desselben vorschützte, geschah doch wohl nur zur Verschleierung
des hohen Auftraggebers. Dessen erste Gemahlin
war schon längere Zeit gestorben, er hatte bereits die dritte,
so dass ja wohl in dieser Vorgabe keine factische Unwahrheit
verborgen lag. Wenn es aber weder der König, noch einer
der beiden genannten Grafen gewesen wäre, der dieses
Requiem beste Ute, auf welchen „Mahatma" aus den Kreisen
der damals noch „Geister beschwörenden" Freimaurer, zu
deren eifrigsten Mitgliedern Mozart gehörte, und für die er
seine herrliche Oper „Die Zauberflöte" gerade auch zu
dieser Zeit vollendet hatte, könnte man bei einem so tief-
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