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280 Psychische Studien. XIX, Jahrg. 6. Heft. (Juni 1892.)
und vertröstete auf eine spätere Sitzung. Einige Zeit darauf
fand eine solche im Comtoir des Zeugen, Klosterstrasse 76,
statt. Hierbei begleitete ein Herr Fritsche die Angeklagte
als Impresario. Dr. Cohn hatte sich so hinter den Geldschrank
versteckt, dass er beide Räume überblicken konnte,
ohne selbst gesehen zu werden. Die Beleuchtung bestand
aus einer Hängelampe, die den Raum erleuchtete, in welchem
die Zuschauer sich befanden. Der Nebenraum, in welchem
„der Geist" sich zu erkennen geben sollte, war nicht erleuchtet
Hier wurde die Angeklagte recht oberflächlich9)
an einem Stuhl festgebunden. Nach einiger Zeit sah
Dr. Cohn, wie das Medium aufstand, aus einer Ecke des
Raumes leise einen Spazierstock holte, sich diesen wagerecht
durch die Haare steckte und sich wieder niedersetzte.10)
Man bewunderte, als sie sich dann zeigte, die Wunderkraft
des Geistes, während das Medium anscheinend in tiefem
Schlafe lag. Sodann sollte ein zweites Experiment toi-
genommen werden. Es wurde dem gefesselten Medium
aufgegeben, einen mehrere Schritte von ihr entfernt stehenden
Ofenschirm umzustossen. Wieder senkte sich der Vorhang
Dr. Cohn sah, wie das Medium sich erhob und dem „Geiste4*
Folge leisten wollte. In diesem Augenblick sprang Dr. Cohn
aus seinem Versteck mit den Worten hervor: — ,,Sie sind
ja eine ganz gemeine Betrügerin!"11) Es entstand ein grosser
Aufstand. Nur der Impresario meinte kalt lächelnd: —
„Aber meine Herren, haben Sie denn etwas anderes
erwartet?" — Der Zeuge erklärt auf Befragen, dass er sich
allerdings für geschädigt halte. — Aehnlich lautet die
Schilderung des folgenden Zeugen Sally Cohn, der sich
ebenfalls für betrogen erachtet. — Vorsitzender: — Nun,
Herr Zeuge Dr. Spatzier] Was sagen Sie zu diesen Bekundungen
? Halten Sie die Sache noch nicht für Schwindel?
— Zeuge: — In diesem Falle mag es Schwindel sein,12)
aber ich bin überzeugt, dass die Fälle, in denen ich zugegen
war, nicht auf Täuschung beruhen. Giebt es doch Mondsüchtige
und Somnambulen, die in diesem Zustande Dinge
begehen, von denen sie in wachem Zustande Nichts wissen.
— Präsident: — Meinen Sie denn überhaupt, dass Geister
erscheinen können? — Zeuge: — Nein, nur ein Phantom.
Das seelische Element hat einen besonderen Leib. Goethe
und Byron hatten bekanntlich Doppelgänger, und auch Kant
vertrat die Theorie des Phantoms. — Rechtsanwalt Wronker:
— Wie denken Sie sich nun, Herr Zeuge, wenn nun zum
Beispiel zwei Medien gleichzeitig sässen und beide kämen
auf die Idee, den Geist Napoleon^ zu citiren, — müsste
derselbe dann zweimal erscheinen ? — Dr. Spatzier: — Das
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