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Wittig: Der Process gegen das Medium Valesca Töpfer in Berlin. 281
kann wohl möglich sein. Dann inuss aber der eine ein
Betrüger sein. (Heiterkeit.)18) — Der Vorsitzende verliest
sodann zwei Zeitungsberichte,14) in welchen Entlarvungen
der Angeklagten in ähnlicher Weise geschildert werden, wie
in dieser Verhandlung. Damit wird die Beweisaufnahme
geschlossen. — Die Angeklagte blieb dabei, dass sie von
allen Vorgängen, die mit ihr passirt sein sollen, nichts wisse.
Der Staatsanwalt hielt zwei Fälle des vollendeten und einen
Fall des versuchten Betruges für erwiesen. Es sei zweifellos,
dass die Angeklagte auf die Einfalt und Leichtgläubigkeit
der Menschen speculire, und wenn sie in den vorliegenden
Fällen auch keine grossen Summen erbeutet, so sei die Art
und Weise, wie die Betrügereien begangen seien, doch so
verwerflich, dass ein höheres Strafmaass am Platze sei. Er
beantrage eine Gesammtstrafe von sechs Monaten. — Der
Vertheidiger, Rechtsanwalt Wronker, plädirte für Freisprechung
. Die Angeklagte befände sich in einer gewissen
Nothlage durch ihre früher in Dresden eidlich erhärtete
Aussage. Man möge über den Spiritismus denken, wie man
wolle, den Ausspruch Hamlets, dass es viele Dinge zwischen
Himmel und Erde gäbe, von denen die Wissenschaft sich
nichts träumen lasse, müsse doch als wahr bestehen bleiben,
und wenn man auch sprachlos vor der Thatsache stehen
müsse, dass es gebildete Menschen gäbe, welche an die
Beschwörung von Geistern glauben, so könne in dem Gehirn
der wenig intelligenten Angeklagten doch die Anschauung
herrschen, dass sie über übernatürliche Kräfte verfüge. Im
Uebrigen vermisste der Vertheidiger den Causalzusammen-
hang zwischen dem Treiben der Angeklagten und der angeblichen
Schädigung der Zeugen. Bei der Intelligenz der
Letzteren und bei der Absicht, die Angeklagte zu entlarven,
könne man von einer Schädigung aber nicht sprechen, denn
dieselben wussten im voraus, dass sie getäuscht werden
sollten, wie man auch wisse, dass die Vorstellungen eines
Taschenspielers auf Täuschung beruhten. — Nach kurzer
Berathung verkündete der Vorsitzende das Urtheil dahin:
«äs» Der Gerichtshof hat zweierlei ausscheiden15) zu müssen
geglaubt: — 1) die theologisch-philosophischen Fragen,
welche von den Spiritisten ventilirt werden, und 2) die
medicinischen Fragen, welche bezüglich des Vorgehens der
Angeklagten aufgeworfen werden könnten. Der Gerichtshof
habe die betrügerischen Manipulationen der Angeklagten
in vollem Umfange für erwiesen erachtet, und er schicke
dies voraus, um dem Irrthum vorzubeugen, als ob der
Gerichtshof von atheistischen oder materialistischen Gesichtspunkten
aus zu seinem Urtheil gekommen sei. Der
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