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282 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1892.)
Gerichtshof habe die Irrtimmserregung zum Zwecke des
Gelderwerbs für durchaus erwiesen erachtet,16) und halte
eine fortgesetzte Straftthat, bestehend theils aus versuchtem,
theils aus vollendetem Betrug, für vorliegend. Gerichtsnotorisch
sei es, dass in solche Sitzungen auch sehr viele
Personen kommen, welche in ihren Anschauungen über die
vierte Dimension noch im Zweifel sind. Als mildernd habe
der Gerichtshof erwogen, dass die Angeklagte Mutter von
vier Kindern ist und durch den leichten Erwerb und die
> underbare Leichtgläubigkeit gewisser Leute verführt wurde.
Auf der anderen Seite sei aber erwogen, dass das Treiben
der Angeklagten besonders gemeingefährlich sei. Das
Fortschreiten derartiger Wahnvorstellungen unter der
Bevölkerung liege nicht im öffentlichen Interesse, und die
Zahl derer, die auf den Unfug der Angeklagten „hineingefallen41
, sei eine so grosse, dass die Gemeingefährlichkeit
des Handelns daraus klar hervorgehe.17) Aus allen diesen
Gründen habe der Gerichtshof die Angeklagte zu zwei
Jahren Gefängniss und fünf Jahren Ehrverlust verurtheilt.
Die Angeklagte verblieb auf freiem Fuss.
IL
Anmerkungen des Sekretärs der Redaetion der „Psych, Studien**4
1) So hat sie schon vor 14 Jahren dem Unterzeichneten
in Leipzig ihre mediumistische Entwickelung erklärt. —
2) Sie ist von vielen Personen in Leipzig beobachtet
worden, und zwar von sachverständigen Leuten, deren
Zeugnisse über sie in den „Psych. Stud." der Jahre 1878
bis 1885 niedergelegt sind, first einem Leipziger Ent-
larvungs-Comite unter Aegide eines gewissen Albrecht und
Genossen war es beschieden, sie zur Betrügerin zu stempeln.
Von ihrer eigenen Ueberzeugung über ihren Geisteszustand
und ihre geheimnissvollen Kräfte gilt übrigens, was der
Recensent und Herausgeber Siegmund Günther in „Das
Ausland'* Nr. 12 v. 19. März er. über ein Buch von Sophus
Rüge über „Christoph Columbus" sagt: — „In Stück 18 des
Jahrg. 1877 der 'Göttinger Gel. Anz.' polemisirt Wappaeus
sehr scharf . . . den Charakter des Columbus, und seine
Stellung zur zeitgenössischen Wissenschaft beurtheilt unser
Historiker der Erdkunde entschieden allzu ungünstig. . . .
Herr Rüge hatte darin doch wohl Recht, dass man einen
Manu nicht mit dem in vielen anderen Fällen ganz passenden
Maas/stabe messen darf. Wäre Columbus ein echter und
rechter Gelehrter gewesen, hätte ihn nicht neben mancherlei
— theilweise nicht ganz verarbeitetem Wissen jene bekannte
Hinneigung zum Mystischen und Abenteuerlichen erfüllt, so
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