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Psychische Studien.
Monatliche Zeitschrift,
vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene
des Seelenlebens gewidmet
XIX. Jahrg. Monat Juli 1892.
L Abtheilung.
Historisches und Experimentelles.
Hexenprocesse.
ßeferirt nach dem Historiker IL A. Menzel.
Mit einer Anmerkung vom Sekretär der Redaction.
In den trefflichen „Geschichtsphilosophischen Gedanken
15" über „Das Verhältniss der Sittlichkeit zu
Christentum, Staat und Kirche" in „Die Grenzboten"
(Leipzig, Fr. W. Grunow,) Nr. 10 v. 3. März er. lesen wir
S. 482 ff., dass man zwar die Entzweiung von Geist und
Fleisch im Christentum für einen Portschritt über die
frühere naive Einheit von Leib und Seele im Griechentum
preise: — „aHein nach wie vor mag das Fleisch nicht ohne
den Geist und der Geist nicht ohne das Fleisch leben, und
eine andere mit der ersten zugleich eingetretene Differenzirung
ist so bedenklicher Art, dass es schwer fällt, sie als einen
Fortschritt zu bezeichnen; die Menschheit ist manichäisch
in ein Gottesreich und ein Teufelsreich aus einander gefallen,
mit einer Hölle musste der neue Himmel erkauft werden.
Nicht allein um die einseitigen Reiche des Lichtes und der
Finsterniss handelt es sich, sondern während die Asketen
alle Spuren menschlicher Bedürftigkeit ablegten, kaum noch
irdische Nahrung genossen und in Verzückung schwelgten,
sahen sich andere nicht allein den Qualen der Gewissens-
bisse und der Höllenfurcht überliefert, sondern die von
düsteren Phantasien ersonnenen Höllenqualen wurden
Tausenden von Unglücklichen leiblich zugefügt. Bei den
Hellenen haben sich Sokrates und Alkibiades, Plato und
Aristophanes gar wohl mit einander vertragen; bei den
Christen genügte eine Meinungsverschiedenheit, eine Haar-
PijrchlMht Stadien. Juli 1892, 19
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