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326 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 7. Heft (Juli 1892.)
bat aber nicbt gesehen, dass Frau J. Stopftücher oder dergleichen
unter dem Corsett hervorgezogen und beseitigt
hätte. Wie will er uns nun dieses Kunststück erklären ? Hat
er behauptet, dass sie die Knoten lockerte? Nein! — „Sie
zog nur alsdann ganz bequem den Oberkörper aus der
Schlinge, die sie [unversehrt] über die Stuhllehne legte!"
— Aber wie hat sie dies thun können, da die Knoten doch
wohl an den Seiten der unteren Stuhllehneleiste angebracht
waren? Welche Dicke hat denn ein Corsett, um nach
seiner Verringerung einen solchen Raum zu schaffen, dass
selbst eine lose Verschnürung um die Taille minus dem
winzigen, kaum */2 cm starken Corsett hinterdrein ein Entschlüpfen
des viel stärkeren Brustkastens und der dicken
Arme der Frau sammt ihrem Kopfe gestattet? Ferner: —
die Verstellung des Corsetts um die Taille zu einer Dicke,
welche später die Arme und Schultern hindurchliess, hätte
doch schon beim Umlegen des Stricks um die Taille bemerkt
werden müssen. Es wäre das eine höchst unförmliche Taille
gewesen. Die „ausführliche Beschreibung" des Dr. med. Cohn
enthält darüber nichts. Und man denke sich eine Schlinge
um eine so wie eine Tonne dicke Taille und diese Schlinge,
an die untere Stuhllehne gebunden, sitzend über den Kopf
hin weggezogen! Diese Schlinge müsste geradezu von dehnbarstem
Gummi gewesen sein. Sie bestand aber aus einem
festen Strick. — Das Alles hat ja der bereits hinten versteckte
Dr. Cohn gar nicht gesehen! Und nun die weitere
Undenkbarkeit, dass eine so bedeutende Bewegung, wie sie
ein solches Herausziehen des ganzen Oberkörpers aus einem
an die hintere Stuhllehne befestigten Strick erforderte,
doch nicht allein den Stuhl selbst nicht hätte bemerkbar
verrücken, sondern auch die beiden Strickenden mit den
Schlüsselbünden gar nicht hätte in einige Mitleidenschaft
ziehen sollen! Die beiden Strickenden gingen ja wohl vom
Ende der Verschnürung und Verknotung aus, waren
jedenfalls vorn durch die Taillenumschnürung gezogen
und dann erst mit je einem Schlüsselbunde nach
dem vorderen Zuschauerräume geführt, und Frau Töpfer
soll doch die Schlinge, von der sie sich befreit, über
die Stuhllehne gehängt haben! Doch dafür hat Herr Cohn
sogleich die Erklärung zur Hand, dass „die Enden des
Strickes etwa zur Hälfte auf dem Fussboden lagen und
daher die durch die Lösung des um die Taille befindlichen
Strickes entstandene Bewegung sich den Fäden desselben
gar nicht mittheilte." Eine schöne Prüfung! Aber er hat
hier seine kurz vorher abgegebene Erklärung vergessen, dass
— „die beiden Enden in den Zuschauerraum gebracht und
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