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328 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 7. Heft (Juli 1892.)
der ersten Sehmedien der Welt! Wenn er seinen skeptischen
Lesern etwa erklärt hätte, wie Frau Töpfer vor dem Stuhle
sieh vorsichtig niedergekauert hahe oder hingekniet sei, wie
sie ihren Kopf und einen Arm zuerst durch die verhält-
nissmässig enge Schlinge gesteckt, und wie sie sich dann
mühsam in Sitzlage umgewendet und den Strick wieder
sorgfältig über die breitere Brust bis zur engeren Taille
herab geschoben und das Corsett wieder erweitert habe, so
würden seine Gläubigen auf seine dreidimensionalen Augen
eher schwören können. Zeitangaben fehlen ja bei ihm ganz.
Aber so — hat er doch wohl mit den Augen seiner
Phantasie beobachtet! Denn die haben ja gerade etwas
höchst Wunderbares gesehen. Die Schlinge, welche in der
Taillengegend an die hintere untere Stuhllehne befestigt
gewesen sein muss, kann doch bei aller Lockerheit nicht
weit genug gewesen sein, um sich über den Kopf des
Mediums, während es sass, ziehen zu lassen. Das steht
nach aller Berechnung positiv fest, Eine solche Schlinge
reicht nur bis an den Oberkopf in zusammengelegtem Zustande
, nicht aber, wenn sie ausgeweitet werdeu muss. Man
probire das selbst! Wenn Herr Dr. Cohn doch nur so klug
gewesen wäre, sich wenigstens einen zweiten Mitbeobachter
auf die Trittleiter heimlich mitzunehmen, dann wäre eine
solche wunderbare Beobachtung wenigstens durch zwei
Zeugen erhärtet, wenn auch für Ungläubige nicht viel
wahrscheinlicher. Spiritisten wäre so etwas schon glaublicher!
Dass es ihm dann viel Selbstbeherrschung gekostet haben
mag, dem ihm als Mumpitz erscheinenden „magnetischen
Schlafe*4 des Mediums von hintenher zuzuschauen, wollen
wir ihm gern glauben, denn er musste es ja auf diese Weise
wenigstens einmal ruhig geschehen lassen, dass das Medium
trotz aller getroffenen Vorsichtsmaassregeln mit einem verkehrt
auf ihren Kopf gestülpten Stuhle und dem Stocke im
Haarknoten den vorderen Zuschauern gebunden wie vorher
nach dreimaligem Klopfen sichtbar erschien und von ihnen
angestaunt wurde. Die vorderen Zuschauer hatten also bis
dahin gar keine Veranlassung gehabt, hinter den Vorhang
wegen verdächtiger Geräusche einzudringen. Er selbst aber
hatte ja durch sein vorheriges Binden des Mediums und
sein Schweigen bei dessen angeblich so leichter Befreiung
aus der Schlinge die vorderen nicht mitverschworenen Zuschauer
mit täuschen helfen, anstatt das Medium in gerechter
sittlicher Entrüstung sofort zu entlarven, ehe es auf dem
Stuhle sitzend ganz wieder in die Schlinge zurückgehen und
in scheinbaren Trance verfallen konnte. Das Medium mit
nur einem Arm in der Schlinge wäre ein schlagender
V
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