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344 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1892.)
Ludwig, Heinrich und Wilhelm, lebte er seit der Geburt des
letztgenannten Solines in dauernder Trennung, wohl seit
1780. (Sie starb erst 1805.) Noch lebte von 1780—1786
sein Oheim Friedrich der Grosse, der ebenfalls seine Gemahlin,
Königin Elisabeth Christine von Braunschweif/-Bevern, mit der
er als Kronprinz sehr gegen seinen Willen verbunden worden
war, in dem ihr geschenkten Schlosse Kieler-Schönhausen
(nicht dem Bismarck* wilieu Stamnigute) seit seiner Thronbesteigung
1740 dauernd räumlich von sich fern hielt: —
,.aber er hielt eifrig darauf/* — berichtet Hirr Lindenherg,
— „dass ihr all die zukommenden Ehren erwiesen wurden,
und es war eine seiner ersten Fragen an Gesandte und
Fremde von Distinction, die ihm vorgestellt wurden: —
'Avez-vous deja fait votre visite ä Schöuhausen?, ('Haben
Sie sclon Ihren Besuch in Schönhausen gemacht?') — Nur
an den Geburtstagen der Königin kam Friedrich persönlich
zur Beglückwünsehung, für ihn erschienen aber desto häufiger
die Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hauses, und
bei einem dieser Besuche lernte der zukünftige Thronfolger,
Prira Friedrich Wilhelm (77.), die jugendlich-schöne Julie
von Voss, Hofdame dei Königin und Tochter des preussischen
Gesandten am dänischen Hofe, kennen und fas&ts eiau
heftige Neigung für sie. — 'Der Prinz kommt mit zur
alten Königin nach Schönhausen', schrieb schon däftf*» die
Oberhefmeisterin, Gräfin Voss, in ihr Tagebuch, *und ieh
weiss doch, das alles geschieht nur wegen der Jvlie\ —# Utül
später, nachdem der Prinz den Thron (178(3) bestiege«!
verzeiel not sie: — 'Die Prinzessinnen thun dem Königs
einen sehr unerlaubten Gefallen, indem sie ihn immer nÜ
Julie zusammenbringen. Sie führen die Königin voraus unk
eilen, wenn spazieren gegangen wird, und beschäftigen sie;
nur dass er mit meiner Nichte gehen und sie spreche»
kann; das ist ein schlechtes Spiel!' — Julie von Voss, die
sich zuerst durchaus abweisend verhalten, schenkte endlich
den Bitten des Königs mehr Gehör, da ihre Verwandten
selbst in sie eindrangen, dies zu thun 'zum Besten des
Vaterlandes1, und^ zwar um den König aus den Banden der
Gräfin Lichtenau zu beneien. Als der König ihr dann die
Ehe zur linken Hand zusicherte, — ein Oonsistorium hatte
di'\s erlaubt mit Berufung darauf, dass Luther und
Melunchthon einst dem Landgrafen Philipp von Hessen das
Gleiche gestattet1 — und die (zweite) Gemahlin Friedrich
Wilhelm* b IL sogai sie schriftlich bat, den König zu erhören,
gab Julie von Voss ihren Widerstand endlich auf und Hess
sich in der Schlosskapolle zu Charlottenburg in aller Stille
heimlich dem König zur linken Seite antrauen. Glück hat
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