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352 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1892.)
i) Eine unheimliche Hinrichtung. — Am
23. Juli des Jahres 1602 fand auf dem Rabensteine vorm
Grimmischen Thore zu Leipzig eine Hinrichtung statt, die
von ganz besonderen Umständen begleitet war und Vornehm
wie Gering in grosse Aufregung versetzte. Es waren zwei
Delinquenten, die zum Tode geführt wurden. Einer war
der Schneider Peter Zeising aus Halle. Ein gelungener
Schwerthieb machte seinem Leben ein Ende. Anders
gestaltete sich die Sache bei dem zweiten Todescandidaten.
Dieser war der Seiltänzer und Possenreisser Hans Peter,
welcher früher in des Raths Windmühle vor dem Peters-
thore als Knappe gearbeitet hatte, und dann unter „die
lahrenden Leute44 gelaufen war. Als nun Hans Peter auf
den Rabenstein kam, stieg ein schweres Donnerwetter am
Himmel auf, und der Sturm heulte durch die Lüfte. Der
Delinquent führte allerlei wunderliche Reden und wollte
nicht niederknieen, um sich sein Recht anthun zu lassen.
Der Scharfrichter, Valtin Heiland, redete ihm gütlich zu,
dass er niederkniete. Aber es misslang der Streich, dass
er den Verurtheilten in die Schulter hieb, der darob arg
schrie und zeterte. Die Henkeisknechte wollten ihn aulrichten
, aber er wehrte sich. Darauf warf ihm Valtin Heiland
einen Strick um den Hals und schlug ihm den Kopf im
Liegen ab. Man hielt nunmehr den Hingerichteten lür
einen Schwarzkünstler, wie denn der Scharfrichter für gewiss
aussagte, er habe drei Köpfe übereinander gesehen und
nach dem untersten zu hauen vermeinet. So entging Valtin
der Strafe. — So die 1. Beil. zum rLeipz. Tagebl." Nr. 172
v. 4. April er, — Wir ersehen daraus, dass selbst zur
Zeit des finstersten Aberglaubens wenigstens eine Berufung
auf seltsame Vorgänge immer noch eher bei Gericht Glauben
fand als heutzutage. Wir dürfen für gewiss annehmen, dass
der Scharfrichter vom unschuldigen Delinquenten in der
geschilderten Art seelisch beeinflusst war.
Bibliographie
folgt im nächsten Hefte
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