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370 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 8. Heft. (August 1892.)
die Rede ist. Wir sind keineswegs darauf angewiesen, die
unverwerfliclien Zeugnisse, welche die Geschichte bietet,
einfach als brutale Thatsachen hinzustellen und dem Leser,
der ihnen die TJnbegreiflichkeit entgegenstellt, ein „Desto
schlimmer für Dich!" zuzurufen. Vielmehr lässt sich die
scheinbare Unmöglichkeil beseitigen, das. Problem lässt sich
seiner Unbegreiflichkeit entkleiden. Es ist nicht zu viel
gesagt, wenn ich behaupte, dass das Sprechen in fremden
Zungen, der Prozess, wie diese Fähigkeit zu Stande kommt,
aufgedeckt werden kann; dass sie auf andere Fähigkeiten
zurückgeführt werden kann, die bekannter sind und der
Anerkennung sich erfreuen. Das Unbegreifliche auf ein
Begreifliches zurückzuführen, das ist nun aber die Aufgabe
der Wissenschaft bei allen Problemen, also auch bei den
mystischen.
Wenn wir das vorliegende Thatsachenmaterial durchstöbern
, so finden wir, — wie schon häufig in anderen
Fällen, — dass dasselbe durchaus keine homogene Masse
von gleicher Unbegreiflichkeit in allen Fällen bildet. Durch
vorerst hypothetische Einführung von Erklärungsprincipien
in diese Masse ergiebt sich sodann, dass um jedes derselben
sich ja eine Anzahl der gegebenen Thatsachen ankrysialhsirt,
so dass ein Eintheilungsprincip gewonnen wird, wodurch die
Thatsachenmasse ihr homogenes Ansehen verliert und in
verschiedene Gruppen von verschiedengradiger Erklärungsschwierigkeit
auseinander fällt. Sollte sich aber dabei
zeigen, dass ein unauflöslicher Rest überhaupt nicht mehr
übrig bleibt, so wäre damit der wissenschaftliche Werth
der eingeführten Erklärungshypothesen erwiesen. Ein
solches Verfahren gleicht also dem des Chemikers, dem ein
unbekannter Stoff gegeben ist, dem es aber durch subtile
Operationen gelingt, denselben in bekannte Stoffe ohne
Rückstand aufzulösen. Nicht die Bestandteile des Stoffes
waren also neu, sondern nur die gegebene Verbindung
bekannter Stoffe.
Wenn wir in dieser Weise mit unserem Probleme
verfahren, werden wir zunächst eine beträchtliche Anzahl
von Fällen ausscheiden müssen, die nur scheinbar hierher
gehören. Dadurch verringern wir unser Material und
schränken es auf die eigentlich erklärungsbedürftigen Fälle
ein, während die Vermischung nicht zusammengehöriger
Fälle nur Verwirrung anstiften würde. Von einem
„Sprechen in fremden Zungen44 können wir nämlich nur
dann reden, wenn die Sprache, welche gesprochen wird,
niemals erlernt worden war. War sie dagegen nur vergessen
, so kann das Wiederaufleben dieser Fähigkeit durch
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