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376 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 8. Heft. (August 1892.)
Solche Experimente entscheiden die Frage, ob die
fremden Laute verstanden werden, oder blosse Gedankenübertragung
stattfindet zu Gunsten der letzteren Annahme;
und diese Theorie ist von einer Somnambulen selbst aufgestellt
worden, welche den in verschiedenen Sprachen
redenden Magnetiseur verstand, dann aber sagte: — „Es
waren ihre Gedanken, die ich verstand, nicht ihre Sprache/0)
Wir wissen nun aber, dass „Suggestionen", welche ein
Somnambuler erhält, die Tendenz haben, siel? von selber in
Bewegungen und Handlungen umzusetzen, d. h., vom grossem
Gehirn in das kleine übergreifend, die motorischen Nerven
in Bewegung zu setzen. Es wäre demnach denkbar, dass
eine Suggestion solche Zungenbewegungen veranlassen
würde, wodurch Laute in fremder Sprache entstehen,
wiewohl der Somnambule sie nicht versteht. In diesem
Falle hätten wir ein Sprechen io fremden Zungen ohne
Verstäcdniss derselben. Einen solchen Fall berichtet
Baumstark in Bezug auf ein Experiment von Jacolliot in
Ceylon. In einer Sitzung mit dem Schlangenbändiger
Chib-Chondor, der ihm die in Deutschland durch Hansen
bekannt gewordenen Phänomene im Superlativ vormachte,
wurde schliesslich eine dicke malabarische Magd aus der
Küche heraufgerufen, magnetisirt und mit Jacolliot in
Rapport gesetzt. Sie sollte nun laut einen seiner Gedanken
nachsprechen. Der Fakir stellte die einzige Bedingung, dass
Jacolliot1 seinen Gedanken recht deutlich formuliren sollte,
und zwar in einer beliebigen Sprache. Jacolliot begann nun,
an den ersten Vers der Ilias zu denken, die einzelnen Silben
skandirend, und das Ilindumädchen sprach deutlich seinen
Gedanken nach: — „Mfjviv äeide, &eä, nrjltjidöov 3A%illfjoq\"*)
Hier betrifft also die Suggestion eine solche mechanische
Bewegung der Zunge und Lippen, welche bestimmte Laute
hervorruft. Es liegt das Sprechen in einer fremden Sprache
vor, ohne Verständniss derselben. Weit entfernt also davon,
das Sprechen einer fremden Sprache noch über das Verstehen
derselben zu setzen, oder für gleichwerthig zu halten,
- - wie die Exorcisten es gethan, — kann sogar der Fall
eintreten, dass das Sprechen ohne jedes Verständniss
geschieht und nur auf einem suggestiven Zwange beruht.
*) Bertrand: — „Le magnßtisiue en France." 445.
9) Baumstark: — „Der Orient." 2 9. — Man lese den oberen
griechischen Text also: — „Menin aeide, theä, Peleiadü AehilUos",
d. h. „Den Zorn besinge, o Göttin, des Peliden Achilleus."
(Fortsetzung folgt.)
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