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380 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 8. Heft. (August 1892.)
Leser wissen, von Anbeginn der „Psych. Stud." an auf
möglichste Exactheit der Prüfungen gedrungen und dafür
gekämpft habe, bin Augenzeuge so vieler Seancen von
Slade1s Auftreten an gewesen und habe eines der sogenannten
Mülsener Medien so vielfältig mit einem 30 Ellen langen
Bande an den Stuhl geschlungen und verknotet, dass ein
Herauskommen eine positive Unmöglichkeit nach meinem
dreidimensionalen Verstände war. Und doch ist Weber
Schraps aus diesen Banden nach kurzer Zeit frei geworden
und zur Thür von oberhalb des Vorhanges mitten unter
uns herausge&chwebt! Die Knoten waren versiegelt, die
Enden des Bandes an die Erde genagelt und versiegelt, —
und das Band war vollkommen unverletzt und musste von
mir selbst erst durchschnitten werden, um es vom Stuhle
in allen seinen Verschlingungen loszulösen. Nur wer ähnliche
mediumistische Vorgänge kennt und zu vergleichen in der
Lage ist, wie wir solche neuerdings wieder in „Psych. Stud."
Juli-Heft 4892 S. 340 Kurze Notiz a) vorgeführt haben, wird
die Möglichkeit und Gewissheit derartiger Vorgänge nicht
mehr bestreiten, sondern mit Professor Zollner und Anderen
an eine vierte Raumdimension für unsere Seelen- und
Geisterwelt denken, in der sich dergleichen sonst unerklärliche
Vorgänge ebenso leicht vollziehen wie die Wunder
unserer Traumwelt, welche die sinnlichen Grenzen unserer
Zeit und unseres Raumes auch nicht respectiren. Aber es
ist eia merkwürdiges Zeichen unseres 19. Jahrhunderts,
dass der Spiritismus, welcher keinen weiteren Anspruch
erhebt, als mit der religiös doch geglaubten Jenseitswelt
unter gewissen Verhältnissen in sinnlich-geistigem Contact
zu stehen, inmitten der ihn umgebenden christlichen wie
jüdischen Welt solchen sadducäischen Unglauben und
Widerspruch erfährt. Wie die ersten Christen um ihres
Glaubens an die Auferstehung und Himmelfahrt des
Gekreuzigten und an seine nahe Wiederkunft aus den
Wolken des Himmels willen vor die römischen Statthalter
geschleppt und mit wilden Thieren zu kämpfen gezwungen
wurden, oder dem Tode durch Henkershand verfielen,
ebenso geächtet, verfolgt und verhöhnt, ja fast aus der
menschlichen Gesellschaft als Verrückte und Halbwahnsinnige
ausgestossen, finden sich die Vertreter des modernen
Spiritismus oder Geisterglaubens nicht bloss von Gelehrten,
sondern selbst von den herrschenden Theologen und Rechtsbeflissenen
, wenn auch nicht mehr in so handgreiflich roher
Form, doch um so raffinirter. Wie es eine Christen- und
Judenhatz und mittelalterliche Ketzer- und Hexengerichte
gab, so giebt es jetzt Spiritisten und Media-Verfolgungen
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