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Kurae Notizen,
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könne, der Wein sei die Ursache, dass man Gespenster
sehe. Eben verkündete die Uhr im Treppenhause die
zwölfte Stunde, als plötzlich gegen die Thüre des Salons
drei Schläge geführt werden. Ich sitze der Thüre zunächst
und bin mit einem Satz an derselben. In der rechten Hand
den sechsfach geladenen Revolver haltend, reisse ich die
Thüre auf und stehe auf dem hell erleuchteten Flur. Ich
sehe keinen Menschen, doch höre ich eine Person mit
schweren Stiefeln die Treppe hinaufgehen. Die Frauen
bleiben unter dem Schutz zweier Männer zurück und besetzen
die Treppe, den einzigen Weg, den der Eindringling
auf seiner Rückkehr nehmen kann. Wir dringen nun zu
fünft in die oberen Etagen vor, mit Schuss«, Hieb- und
Stechwaffen bewaffnet, sowie mit Windlaternen verseben.
Alle Thüren, die man vorher verschlossen, waren geöffnet.
(Die Schlüssel der Zimmer lagen im Wachsalon auf dem
* Tisch.) Mit grösster Vorsicht und Umsicht wird das Haus
abgesucht bis zu den Mansarden, ja bis zum Dach. Nichts
ist zu finden. Wir sehen uns sämmtlich erstaunt an und
treten nach einstündigem Durchsuchen des ganzen Hauses
den Rückweg an. Kaum sind wir wieder in dem Salon
versammelt, dessen Thür wir nun weit geöffnet Hessen, so
hören wir im ersten Stock abermals Tritte. Rasch sind
wir wieder oben. Es wird nichts gefunden. Nach einiger
Zeit sitzen wir wieder geräuschlos beisammen und siehe
da: — Schlag ein Uhr kommt es mit schwerem Tritt die
Treppe herab. Das Geräusch verstummte selbst nicht, als
wir auf dem Flur den Ankömmling erwarteten. Kein
lebendes Wesen lässt sich sehen, und enttäuscht treten wir
spät in der Nacht, nachdem wir das versäumte Glas Wein
nachgeholt, den Heimweg an. Keinem der Anwesenden
war die Sache klar." — Soweit unser Gewährsmann. Man
sieht, die Sache ist recht gruselig, aber bange machen gilt
nicht. Das Spukhaus in Bockenheim wird hoffentlich recht
bald wieder seine Ruhe erhalten, im anderen Falle empfehlen
wir es zum Verkauf an ein unternehmendes Spiritisten-
konsortium. Vielleicht wird unser Gewährsmann in den
Aufsichtsrath gewählt. („General-Anzeiger der Stadt
Frankfurt a. M." Nr. 57 v. 8. März 1892.) — Man vergl.
hierzu unseren wahrheitsgetreuen Bericht über ein ähnliches
Erlebniss des Sekretärs der Redaction in einer Königlichen
Hofapotheke in Schlesien in „Psych. Stud." Februar-Heft
1886 S. ö? ff.
d) Der Geisterspuk in der Paulinerkirche. —
Früher befanden sich in der 1240 erbauten Kirche des
Leipziger Paulinerklosters ausser anderen alterthümlichen
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