http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1892/0406
398 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 8. Heft. (August 1892.)
Merkwürdigkeiten auch viele Erinnerungszeichen an hier
beerdigte (Meiere, die im dreissigjährigen Kriege bei den
Kämpfen in und um Leipzig gefallen waren. Von ihnen
hat sich nur der Harnisch des schwedischen Oberstlieutenants
Zorge, genannt von Manteufel, erhalten, dessen Umfang noch
von der Riesengestalt seines Trägers zeugt. Der Oberstlieutenant
fiel am 23. October 1642 in der Schlacht bei
Breitenfeld und wurde nach Leipzig gebracht und in einem
Grabgewölbe unter der Kirche beigesetzt. Nicht lange aber,
so machte sein Gespenst Abends die ganze Umgebung der
Kirche unsicher. Namentlich hatte das Gespenst es auf sich
hierher verirrende Liebespärchen abgesehen, die es mit Aufhucken
*) und dumpfem Geheul verscheuchte, oder wohl aucb
mit Püffen tractirte. Obgleich nun Viele meinten, es handle
sich hier nicht um den todten Oberstlieutenant, sondern um
muthwillige Spassvögel unter den Studenten, Hess man das
sogenannte „Teufelsloch" unter der Kirche, in welchem des
Oberstlieutenants vertrockneter Leichnam mit noch einigen
anderen in Särgen liegenden Mumien den Leuten gezeigt
wurde, 1675 vermauern. Damit hörte der Spuk vor der
Kirche zwar auf, aber dagegen zeigte er sich nun in derselben
, und zwar an der Orgel. Seit die Mönche 1542 das
Kloster verlassen hatten, war es schon mit der Orgel nicht
recht geheuer gewesen. Einzelne Pfeifen begannen zu
versagen, und dann brummte und sauste es manchmal in
dem Werke, und des Nachts vernahmen die Wächter
dumpfen Uigelklang, als ob einzelne Pfeifen angeschlagen
würden« Trotz der Heiligkeit hielt man schliesslich, nachdem
mehrere Orgelbauer vergeblich an dem Werke herumgekünstelt
hatten, die beiden grössten Orgelpfeifen, im
Principal 19 Fuss, vom Teufel besessen. Als aber endlich,
nach eifriger Bemühung eines Orgelkünstlers, ein gelinder
Laut aus diesen beiden schweigsam gewordenen Pfeifen
vernehmlich wurde, glaubte man, der Teufel habe doch
endlich dem Lobe Gottes wenigstens etwas Kaum geben
müssen. So blieb die „Geisterorgel" bis zum Jahre 1710,
wo der Orgelbauer Scheibe eine Untersuchung des Werkes
vornahm und die Sache sich erklärte. Er fand nämlich,
dass die Drähte zerschnitten waren und in einer der
schweigenden Pfeifen ein Pergament mit allerhand
Characteren und unverständlichen Worten steckte. Hiermit
*) Ein ähnliches Gespenst ist uns in der Chronik von Bolken-
hain aus dem 16. Jahrhundert überliefert, mit dem sich selbst der
Landeshauptmann von Schlesien zu beschäftigen hatte, und über das
ich in weiteren spuk- und räthseihaften Erlebnissen meiner Eltern
gelegentlich ausführlich berichten werde. D. Sekr. d. Red.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1892/0406