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416 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 9. Heft. (September 1892.)
die rechte Hand des Grosskanzlers (Garmer) erkannte. Auch
sein (&'s) Aeusseres sprach zuerst gegen ihn. Von kleiner
Statur und zartem Körperbau, ohne Leichtigkeit im Umgange
, bedächtig und vorsichtig, war er durch das Be-
wusstsein der öffentlichen Meinung noch mehr zurückhaltend
gemacht; er zeigte sich wenigen Menschen und war gegen
alle äusserst verschlossen. Mehrere Jahre mussten vergehen,
ein näherer Verkehr erst angebahnt sein, ehe die Missstimmung
der Achtung wich, welche später in Zuneigung
und schliesslich in ungetheilte, wahrhaft rührende Verehrung
überging," — Es war die Zeit der sogenannten Aufklärung
oder des Rationalismus, der sich auf fVolfs Philosophie
und Metaphysik stützte, die erst durch Fanfs „Kritik der
reinen Vernunft" beseitigt, weil tiefer gegründet ward. Der
Wunderbegriff wurde von diesei Richtung ganz aufgegeben.
Daher der Kampf dieser Richtung gegen Wöllner und
Genossen, welche den Glauben verfochten, „die göttliche
Persönlichkeit könne vermöge ihrer Allmacht hemmend und
beschleunigend, verstärkend und umgestaltend, durchkreuzend
und aufhebend auf die Naturkräfte einwirken, d. h. könne,
unmittelbar oder mittelbar durch erwählte Werkzeuge,
Wunder thun. Bestehen bleibt freilich — wie der Verfasser
unseres Artikels meint — der Lessing'sche Satz, dass ein
Anderes Wunder sind, die wir selbst erleben
und selbst zu prüfen Gelegenheit haben, ein
Anderes Wunder, von denen wir nur historisch wissen,
dass sie Andere wollen gesehen und geprüft haben. Die
letzteren Wunder sind also übject der historischen Kritik
und schliesslich des subjectiven Glaubens, welcher natürlich
nicht der dumpfe Köhlerglaube bornirter Orthodoxen sein
soll. Jedoch die Möglichkeit des Wunders leugnen, den
Wunderbegriff bestreiten, ist ein Bestreiten der persönlichen
Gottheit selbst, mit deren Wegfall auch Tugend und Unsterblichkeit
zu wesenlosen Begriffen werden. Die Aufklärung
glaubt im Deismus zu stecken, aber ihr Weg führt, wenn
consequent eingehalten, durch den Pantheismus zum
Atheismus. Ihre Ansicht von der Natur ist die rein
mechanische, welche lieber den Geist verleugnen, als seine
schöpferischen Tbaten in der Natur anerkennen will,
weil so etwas der Hoffarth eines vermeintlichen Verstandes
entgegen ist, — 'Gleich dem todten Schlag der Pendeluhr
Dient sie knechtisch dem Gesetz der Schwere, Die entgötterte
Natur.'" —
Von Svarez* Stellungnahme zu dieser Richtung meint
Verfasser, dass er in seiner Jugend wohl Wolf, aber
schwerlich Kant studirt habe, weil er mit amtlichen Arbeiten
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