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du Prel: Das Sprechen in fremden Zungen.
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Phänomene so merkwürdig, dass im Mittelalter sogar die
Aerzte sie dämonischen Einflüssen zusehrieben. Ueber die
besessenen Klosterfrauen von Loudun existiren 26 medicinisehe
Rapporte, in welchen die Phänomene als übernatürlich
bezeichnet werden, und wir werden daraus mindestens den
Schluss ziehen, dass die Thatsachen sich nicht bezweifeln
lassen. Unter den Zeugen finden wir auch den Bruder des
Königs, Gaston, der eine Besessene auf ihre Fähigkeit,
fremde Sprachen zu verstehen, prüfen und einen Gedankenbefehl
ausführen lassen wollte. Als nun der Exorcist
sprach: — „Obedias ad mentem principis!" (d. h. „Gehorche
den Gedanken des Pürsten!") — kniete die Besessene mit
gefalteten Händen vor dem Exorcisten nieder und küsste
ihm die rechte Hand. Herr uon Nimes von der Sorbonne,
ein anderer Zeuge, bat den Exorcisten, Pater Surin, einer
Besessenen einen lateinischen Befehl zu geben. Es wurde
ihr befohlen, ihre linke Hand auf sein Knie zu legen,
(Appone laevam poplitibus meis!) und sie gehorchte. Herr
von Nimes gab hierauf der Besessenen hintereinander sechs
Gedankenbefehle, jeden wieder in Gedanken revocirend, bis
auf den letzten, worauf der „Dämon" die Befehle laut
nachsprach, aber jedem beifügte, Herr Nimes wolle die Ausführung
nicht; beim letzten aber sprach er, auf diesen sei
der Wille des Befehlenden fixirt. Normänische Edelleute
fragten eine der Besessenen türkisch, spanisch und italienisch,
und erhielten (französische?) Antwort Herr Nimes erhielt
Antworten auf deutsche und griechische Ansprachen* Herr
de Launay, der in Amerika gewesen war, sprach in einem
indianischen Dialekt und wurde verstanden; auch erzählten
ihm die Besessenen Ereignisse aus seinen Reisen. Daneben
heisst es freilich wieder, dass die Besessenen, wenn die
Aerzte mit ihnen griechisch über medicinisehe Dinge
sprachen, auch griechisch antworteten, was diese Klosterfrauen
zu Medien stempeln würde.3) — Dass schon bei den
griechischen Orakeln die Pythia fremde Sprachen verstand
und in solchen antwortete, melden Herodoi2) und Pausanias*)
Der Beweis, dass das Verstehen fremder Sprachen nicht
ein Verstehen der Laute ist, sondern nur der darin ausgedrückten
Gedanken, könnte in schlagender Weise auf
folgende Weise geliefert werden, und ich empfehle den
Versuch Denjenigen, die in der Lage sind, ihn anzustellen:
— Es sei ein Magnetiseur gegeben und eine Mehrzahl von
*) Leriche: — „fitude sur les possessions."
*) Herodot IX. 133—135.
*) Pausanias IX. e. 23,
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