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522 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 11. Heft. (November 1892.)
„Leben" der Menschen, der Organismen, des Anorganischen,
soweit das alles in unsere „Blicksphäre" hineinragt, gerade
so, wie wir im täglichen Umgange mit Anderen handgreiflich
— d. h. in der „Sphäre" der grössten „Blickconcentration"
— es sehen, wenn sie den gleichen Gegenstand fixiren wie
wir selbst. Je stärker die „Fixirung", also Concentrirung
des „Blickes" ist, desto mehr fällt diese Concentration
Anderen auf, — beobachte man das einmal im täglichen
Leben! — desto mehr „wollen" meist auch Andere das
„Fixirte", desto mehr sind auch sie meist bei der nämlichen
Sache. Mithin ist auch dasjenige, worauf ich mein „Wollen"
mit aller mir möglichen Energie concentriren kann, für mich
und Andere der nämlichen „Blicksphäre" (besonders auch
für diejenigen, welche sich meinem Wollen hingeben,)
materialisirt — Materie. Wenden wir nun von einem
„fixirten" Gegenstande unser Wollen, unseren „ Blick" gänzlich
ab, so „sehen" Andere, dass wir nicht mehr von der Partie
sind, sie „sehen" dann den „natürlichen" Verlauf der
Gotteskräfte ohne unser Wollen, resp. nur noch ihr eigenes
Wollen derselben.
Der Leser sieht, dass sich in dieser Weise zwanglos
alle Zustände unseres Lebens erklären lassen. Das Gebiet,
welches sich hierdurch der Erklärung erschliesst, ist aber
ein solch* weites, dass ich mich darin zu verlieren fürchten
muss, wenn ich nicht jetzt wieder meinen heutigen Zweck
ins Auge fasse.
Ooncentrire ich meinen „Blick" auf etwas, so nehme
ich meine Kräfte für diese Concentration in Anspruch, so
zwar, dass ich je nach Stärke der Concentration und über-f
haupt nach Stärke meines Wollens die „Aufmerksamkeit" für
alles Uebrige meiner „Sphäre" mehr oder weniger verliere;
ich vergesse also das Uebrige mehr oder weniger so lange.
Die „Blickconcentration" kann nun von kurzer Dauer sein,
oder ich kann mich darin verbeissen. Je mehr Letzteres
der Fall ist, desto schwerer finde ich zu anderem zurück.
Ist mein „Blick" aber lebendig, d. h. „hänge" ich mich
nicht fest an etwas, desto besser orientire ich mich, desto
leichter finde ich den Weg zurück zu allem, was ich bereits
„schaute", — flüchtiges Wiederberühren, Wiederanblicken
als „Erinnerung" zu betrachten, — und desto leichter
orientire ich mich zu weiterem „Schauen".
Hiermit haben wir also die Erklärung für Vergessen
und Nichtvergessen. Ist nun unsere Kraft für einen
„Blickpunkt" erlahmt, so sind wir zur „Deconcentration"
gezwungen. Je mehr wir aber nach Ablauf solcher Deconcentration
wieder in der Concentration befangen bleiben,
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