http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1892/0541
Kurze Notizen.
533
Scharfsinn unserer Leser. Oeffentlich auftretende Medien
können und dürfen nur noch unter der Firma „taschenspielerischer
Kunststücke" auftreten, mögen dieselben auch
noch so sehr das Gepräge spiritueller Wirkungen und
mediumistischer Leistungen an sich tragen. Dass die echte
Mediumschaft von also missbrauchten Personen verloren
geht und später mit Kunst oft nachzuhelfen versucht wird,
steht ausser Frage. Aber wie dies hier möglich sein sollte,
zu erklären, wäre ein Kunststück raffinirtester Verstandesspitzfindigkeit
, oder die allergrösste Gedankenlosigkeit, die
sich über jedes tiefere Nachdenken mit dem hausbackenen
Satze hinweghilft: — Es muss ja Alles im Grunde genommen
ganz natürlich zugehen wie bei jedem Zauberkünstler! Dabei
ist man selbst bei Beurtheilung notorischer Medien in dem
sonst so geistreichelnden Leipzig stehen geblieben. Das
„Leipziger Tageblatt" Nr. 480 v. 19. September er. bringt
folgenden Bericht: —
„ Orlowa-Soiree. — -g- Leipzig, 18. September. — Eine
ansehnliche Versammlung hatte sich gestern Abend im Saale
von Kraffs Hotel de Prusse eingefunden, um den interessanten
Darbietungen der Meisterin der Magie, Fräulein Eleonora
Orlowa, und ihres Partners Herrn A. Fredmar aus Wien zu
folgen. Es gehört eine mehr als gewöhnliche Geschicklichkeit
dazu, um auf dem Gebiete angenehmer Sinnestäuschung
so Vollkommenes zu leisten, wie seitens der Genannten.
Nichts erschien gekünstelt oder erzwungen; meisterhaft und
ohne besondere Vorrichtungen wurden unmittelbar vor den
Augen der erstaunten Zuschauer die schwierigsten Kunststücke
vollführt. Dazu kam ein nicht aufdringlicher Vortrag
und angenehme Manieren in Sprache und Haltung bei der
Ausführung der einzelnen Trics.
„Das Programm, das sich aus zwei Abtheilungen zusammensetzte
, war sehr reichhaltig. Zunächst trat Fräulein
Orlowa auf und Hess sich von den Anwesenden auf einen
Zettel Bemerkungen schreiben; dieser wurde in einen Briefumschlag
gesteckt, den die Dame in der freien Hand hielt,
und obgleich mit der Aussenwelt kein sichtbarer Zusammenhang
stattgefunden hatte, brachte schon nach wenigen
Secunden der Diener einen Brief mit dem Poststempel
„Petersburg^ der viele verschlossene Couverts mit den
beschriebenen Blättern enthielt. Ebenso gut wurde ein
anderes Experiment von Fräulein Orlowa vorgeführt.
„Aus den gleichfalls höchst gelungenen Darbietungen
des Herrn A. Fredmar heben wir als neu und überraschend
das Spiel mit den Billardkugeln, die wandernden Foulards,
sowie die Einge und den schwebenden Stock hervor,
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1892/0541