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Kurze Notizen.
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dass es nunmehr der Polizei gelungen ist, die Veranlassung
zu dem Vorgange zu ergründen. Durch ein siebenjähriges
Kind war einigen Beamten mitgetheilt worden, dass es das
Dienstmädchen sei, welches das Pochen veranlasse. Die
Sache bewahrheitete sich vollständig und wurde gestern das
Mädchen, 15 Jahre alt und aus Leutzsch gebürtig, von der
Polizei zur Verantwortung gezogen. Die jugendliche Person
hatte, als sie sich einmal in dem Keller befand, mit dem
Stiel eines Borstbesens an die Treppe aus Versehen angetroffen
, und dieses war von dem Wirth vernommen worden.
In der Meinung, es habe ein Zeichen gegeben, dass Jemand
aus der Familie sterben werde, wurde die Sache von dem
Wirth in der schon mehrfach geschilderten Weise aufgebauscht
. Als das Dienstmädchen bemerken mochte,
welches Gewicht der Sache beigelegt wurde, klopfte es zu
seinem eigenen Gaudium ruhig weiter und bediente sich
hierzu alles Möglichen. Eimal machte sie die Geschichte
mit dem Besenstiel, das andere Mal mit dem Pantoffel,
nahm auch zur Abwechselung eine Scheuerbürste und
klopfte alle guten Geister herbei. Um der Sache schliesslich
ein Ende zu machen, wurden zwei Polizeibeamte in Civil
abkommandirt, die denn auch die ganze Spukgeschichte in
der geschilderten Weise enthüllten. Der Wirth soll sich
übrigens bei dem ganzen Vorgange nicht schlecht gestanden,
sondern sogar sehr gute Geschäfte gemacht haben. (1. Beil.
zum „General-Anzeiger für Leipzig" v. 6. October er.) —
* Wie aber stimmt denn diese sichtlich erweiterte Mittheilung
„von gut unterrichteter Seite" mit der schon im October-
Hefte er. S. 491 gebrachten und viel weniger behauptenden
Nachricht aus offenbar polizeilicher Quelle? Die Berichte
sub e) und g) wissen nichts von einem Klopfen mit Scheuerbürste
, Besen und Pantoffel, sondern begnügen sich mit weit
weniger und einem „nur einmaligen unversehens geschehenen
Anstossen mit dem Besen an die Treppe."
g) Zum Spuk in Lindenau bringen wir im Anschluss
an unsere Kurzen Notizen e) und f) im vorigen October-Heft
folgendes „Eingesandt" aus dem „G eneral-Anzeiger für
Leipzig u. s. w." Nr. 281 v. 11. October er.: — „Sehr geehrte
Redaction! — Durch die Notiz im „G eneral-Anzeiger"
Nr. 276, d^n Lindenauer Spuk betreffend; veranlasst, erlaube
ich mir, Ihnen Folgendes mitzutheilen. Ueber den „Spuk"
in dem betreffenden Lokale ist schon seit vier Wochen so
viel geredet und geschrieben worden, es gehen die Ansichten
über die Ursache des Vorkommnisses so weit auseinander
und, was die Hauptsache ist, es sind Ehre und Ansehen
der dabei Betheiligten, hier also der Familie Sander, so
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