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548 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 12. Heft (December 1892.)
der unermüdlichste Vorkämpfer dieser noch immer
unpopulären Wahrheit angesehen werden. Er ist auch der
gründlichste Kenner des Spiritismus, denn er hat dem
Studium und dem Experimente dreissig Jahre seines
Lebens gewidmet und benutzt noch immer jede Gelegenheit,
seine Erfahrungen in diesem Gebiete zu bereichern. So
hat er im vergangenen Jahre sehr merkwürdige Sitzungen
mit Mrs. Esperance in Gothenburg gehalten, und so gebührt
ihm auch jetzt wieder das Verdienst, die Sitzungen mit
Eusapia Paladino veranlasst zu haben, von denen im Nachstehenden
die Rede sein soll.
Als nämlich jene Erklärung Lombrosds erschienen war,
worin derselbe die Thatsachen des Spiritismus anerkannte,
aber alsbald eine Theorie aufstellte, worin er die Phänomene
aus im Medium selbst liegenden Kräften erklärte, wandte
sich Staatsrath Äksakow an Herrn Ercole Chiaia, den langjährigen
Protector des Mediums, und sprach den Wunsch
aus, Eusapia nach Turin kommen zu lassen, um dort in
Gemeinschaft mit Lombroso Sitzungen zu halten. Lombroso,
durch Chiaia davon verständigt? erklärte sich bereit; er
hatte inzwischen weiteie Sitzungen mit Eusapia in Neapel
gehalten, bei denen wieder andere Theilnehmer überzeugt
worden waren. Ein ihm zugeschicktes Exemplar von
Aksakow1^ Schrift „Animismus und Spiritismus" (Leipzig,
Oswald Mutze, 1890) hatte zunächst einen Briefwechsel
zwischen Aksakow und Lombroso zur Folge, und der letztere,
der schon Willens gewesen war, dieses mit zu grossen An-
1 orderungen an seine Zeit verbundene Studium wieder
aufzugeben, schöpfte neues Interesse an der Sache; denn
seine Theorie deckte sich mehr oder minder mit derjenigen
des Berliner Philosophen E. v. ßartmann, und diese eben
ist es, welche in der genannten Schrift Aksakow's
bekämplt ist.
Inzwischen waren aber Schwierigkeiten auf Seite des
Mediums und ihres Protectors Chiaia eingetreten, welche
Neapel nicht verlassen konnten. Schon wollte Aksakow —
im Juli 1892 — seinerseits nach Neapel reisen, als Chiaia
schrieb, er sei in Familienangelegenheiten genöthigt, im
September und October nach Mailand zu kommen, wohin
er auch das Medium bringen könnte, ein Vorschlag, den
Aksakow natürlich annahm.
In Mailand waren inzwischen Anhänger und Gegner
der Sache bereits aneinander gerathen, und die italienische
Presse von Mailand, Venedig und Rom bemächtigte sich
des Stoßes. Auf Seite des Mediums stand Angelo Brofferio,
Professor der Philosophie in Mailand. Er hatte vor einem
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