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582 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 12. Heft. (Deeember 1892.)
der Polizeiwache zu Plagwitz eingeräumt hatte, den Spuk
ausgeführt zu haben, behauptete sie in der gestrigen Sitzung,
sie sei es nicht gewesen. Sie will nur am 8. September
zum Scherz drei Mai mit einer Scheuerbürste an die Keller-
thüre geschlagen haben, ohne dass es auf der Strasse gehört
worden sei. Die 21/« stündige Verhandlung erbrachte
nicht volle Klarheit über die Sachlage, es wurde daher
die Strafsache zur Anstellung weiterer Erhebungen und
Vorladung weiterer Zeugen bis auf Weiteres vertagt." —
Die 2. Beilage zum „General-Anzeiget für Leipzig"
Nr. 3(X> v. 6. November 1892 brachte folgenden ausführlicheren
Bericht über den Prozess: — „Schöffengericht.
— Der Spuk in Lindenau, welcher im September er.
und noch Anfang vorigen Monats so viel von sich reden
machte, bildete gestern den Gegenstand einer Verhandlung
des königlichen Schöffengerichts gegen das 14^2 Jahre alte
bisher unbescholtene Dienstmädchen Annitta Martha Herting,
gebürtig aus Leutzsch, wegen Verübung groben Unfugs.
Ein schmächtiges Mädchen betritt in Begleitung seines
Vaters den Verhandlungssaal und blickt schüchtern um
sich, denn der kleine Zuhörerraum ist bis auf den letzten
Platz gefüllt. Nach dem äusseren Eindruck, den das
Mädchen macht, möchte man ihm eine so fortgesetzte,
durchdachte Handlungsweise, wie sie die Anklageschrift
behauptet, kaum zutrauen. Bei Erörterung ihrer persönlichen
Verhältnisse erklärt die H. auf Befragen, in der Schule
stets gute Censuren erhalten und bei guter Führung zu den
besten Schülerinnen gezählt zu haben. Das ist ihr zu
glauben, denn sie entwickelt in ihren Antworten einen
gewissen Zusammenhang der Gedanken, was im Gange der
Beweisaufnahme besonders hervortrat. Beschränkt ist das
Mädchen jedenfalls nicht. Der Eröffnungsbeschluss legt der
Angeklagten zur Last, in der Zeit von Anfang September
bis 5. October d. J. im Hause ihres Dienstherrn, des
ßestaurateurs Sander in Leipzig-Lindenau, Augustenstr. 18,
dadurch groben Unfug verübt zu haben, dass sie mit Besen.
Hammer oder Scheuerbürste an die über dem Kellergewölbe
des Hauses vom Parterre aus emporführende Holztreppe
geklopft und dadurch die Töne verursacht habe, welche die
Grundlage der Behauptung wurden, 'in dem Hause spuke
es'. Welches Aufsehen die Geschichte seiner Zeit machte,
ist wohl zur Genüge bekannt. Vom frühen Morgen bis zum
späten Abend wurde das S.'&che Restaurant von zahlreichen
Neugierigen frequentirt, welche mit getheilten Empfindungen
das spukhafte Klopfen vernahmen. Die Meisten schüttelten
natürlich ungläubig den Kopf und — thaten jedenfalls recht
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