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586 Psychische Studien. XIX. Jahrg. 12. Hett. (Dßcember 1892.)
neue und ins Reich der Wunder gehörende Sache war nun
aber für das hiesige Publikum der Somnambulismus.
Als ein für die Veranschaulichung dieser Erscheinungen
sehr günstiger Umstand muss angese en werden, dass
meine Frau, die erste Stettiner Patientin des Herrn Reichel,
in hohem Grade somnambul und medial veranlagt ist und
sich, auf Wunsch von Herrn Reichel, behufs Vorführung
des somnambulen Schlafes, zur Verfügung stellte, indem sie
während der bprechstunden anwesend war und sich durch
zwei bis drei magnetische Striche in Schlaf versetzen Hess,
in welchem sie dann den erstaunten Patienten die Diagnosen
und Heilmittel ihrer Krankheiten angab. Was mich
selbst betrifft, so habe ich nun auch durch Herrn Reichel
und meine Frau die praktische Bestätigung erhalten, die
mir bis dahin noch fehlte, dass der Somnambulismus die
Pforte zum Spiritismus ist*) Bei einem magnetischen
iSchlafacte, in meiner Wohnung nämlich, über das, was sie
sähe und beobachte, befragt, antwortete meine Frau unter
Anderem, sie sähe und spräche ihre (vor einigen Monaten
verstorbene) Tante M........, die ihr das und das
mittheile.
Dies dürfte wohl die schlagendste Widerlegung des
häufig durch Gegner des Spiritismus erhobenen Eiuwandes
sein, die Bilder, Vorstellungen und Ersch«inungen, welche
die Somnambulen sehen, seien Gedankenreflexe des
Magnetiseurs; denn Herr Reichel war mit unseren Familienverhältnissen
völlig unbekannt, wusste daher weder, dass
eine Taute meiner Frau vor Kurzem gestorben war, noch
kannte er deren Namen.
Auch wir, meine Frau und ich, hatten seit Wochen
nicht mehr von der Tante gesprochen, wie auch meine Fraä
vor ihrem Einschlafen sich nicht mit derselben beschäftigt
hatte, da sie in einer lebhaften Unterhaltung über lokale
Dinge mit Herrn Reichel und mir begriffen war und
unmittelbar darauf in magnetischen Schlaf versetzt wurde.
Wenn ich überhaupt noch über den Spiritismus und
dessen Berechtigung im Zweifel gewesen wäre, so bin ich
durch die persönlich bei Anwesenheit des Herrn Reichet
an und mit meiner Frau gemachten Beobachtungen nunmehr
völlig darüber im Klaren und freue mich, dass durch die
Ihnen geschilderten Vorgänge hier in Stettin ein lebhafter
*) Pas ist durch A. J. Davis „Zauberstab*', „Atzt", (Leipzig,
Oswald Mutze, 1868 und 1813) und andere Werke desselben aus den
1840 er und 1850 er Jahren bereits unumstösslieh erwiesen. —
Die Red,
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