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Nachschrift der Red. über Magnetiseur Reichel. 589
in den erwähnten Bezirken allgemein bekannt, und als die
Polizeiorgane, welche auf die Frau aufmerksam gemacht
worden waren, sie besuchten, fanden sie diese, von einer
Schaar blinder, tauber und lahmer Personen umgeben,
gerade im Begriffe, den Fuss einer krüppelhaften Person
,magnetisch' zu kuriren.
„Frau Schafariky eine gutsituirte Hausbesitzerin, war
deshalb gestern vor dem Strafrichter des Bezirksgerichtes
Hernais, Dr. Gerstmann^ der Kurpfuscherei angeklagt. Die
Anklage wurde durch den staatsanwaltschaftlichen Functionär
Dr. Fochler vertreten, während als ärztlicher Sachverständiger
Bezirksarzt Dr. Blau fungirte.
„Die Angeklagte, eine ältere, ziemlich elegant gekleidete
Frau von selbstbewusstem Auftreten, erklärt sich für nichtschuldig
. Zu Anfang des Monats Mai sei sie in einen
spiritistischen Verein in Hernais eingetreten. Dort sei ihr
plötzlich das Bewusstsein gekommen, dass sie sich im Besitze
des , Lebensmagnetismus' befände; und zwar besitze sie die
Fähigkeit, diese ihre magnetische Kraft sowohl auf Menschen,
als auch auf Flüssigkeiten, wie Oel, Kornbranntwein,
Wasser u. s. w. zu übertragen. Durch diesen Magnetismus habe
sie einen Patienten kurirt, aber nie eine Bezahlung verlangt,
oder erhalten; auch der Gedanke, dem Gasthause ihres
Gatten Gäste zuzuführen, sei ihr fern gelegen. Sie habe
stets nur das Beste ihrer Patienten im Auge gehabt.
„Die zahlreichen Zeugen, die hierauf zur Vernehmung
gelangen, zeigen eine merkwürdige, fast schwärmerisch zu
nennende Zuversicht zu der Heilkraft der Angeklagten.
Alle erzählen, dass ihre Leiden und Schmerzen durch die
Kunst der ,Wunderfrau1, wenn nicht geheilt, so doch
gelindert worden seien. So erzählt Herr Johann Schert,
dass er vergebens auf den Augenkliniken des Allgemeinen
Krankenhauses Heilung gesucht habe; erst Frau Schafarik
habe ihm geholfen. Gezahlt habe er nichts. Frau Josefa
Kirschner theilt mit, sie sei von Bekannten auf die Angeklagte
aufmerksam gemacht worden; diese habe durch Auflegen
der Hände und Einreiben mit ,magnetisirtem Kornbranntwein
' ihr wesentlich Hilfe gebracht. Dem Fräulein
Katharina Myslivec hat die Angeklagte versprochen, ihr mit
magnetisirtem Oel eine Augenkrankheit zu heilen.
„Angeklagte (unterbrechend, in bestimmtem Tone): —
,Unter zwei Monaten ist sie sehend!'
„Thomas Sorna litt an einer skrophulosen Beinhautentzündung
am Fusse; auch er erklärt, von der Angeklagten
geheilt worden zu sein, ohne in irgend einer Form dafür
Entgelt geleistet zu haben.
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