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590 Psychische Studien, XIX. Jahrg. 12. Heft. (December 1892.)
„Angeklagte (abermals unterbrechend): — 'Den haben
s' in einem Binkel zu mir getragen!*
„Auch die übrigen zahlreichen Zeugen sagen in ähnlichem
Sinne aus; Alle wollen geheilt worden sein oder wenigstens
Besserung empfunden haben, ohne je zu einer Zahlung
verhalten worden zu sein. Armen Patienten soll Frau
Schafarik sogar öfters selbst Geld gegeben haben.
„Der Sachverständige Dr. Blau erklärt, dass es sich bei
der Mehrzahl der Fälle um unheilbare Erkrankungen
handle; bei keinem einzigen Falle sei durch die Thätigkeit
der Angeklagten eine wirkliche andauernde Besserung erzielt
worden. Allerdings lasse sich auch in keinem Falle eine
schädliche Einwirkung von Seiten der Angeklagten nachweisen
; höchstens insoweit, dass vielleicht manchmal versäumt
worden sei, rechtzeitig die Hilfe eines Arztes in Anspruch
zu nehmen.
„Der Staatsanwalt führt in seinem Plaidoyer aus, es sei
kein Zweifel, dass die Angeklagte Gewinn aus ihrer
Thätigkeit gezogen habe oder ziehen wollte, indem sie dem
Gasthause ihres Gatten Kunden zuführte; das sei schon
daraus zu entnehmen, dass sie die Patienten nicht in ihrer
eigenen Wohnung, Ottakring, Römerstrasse Nr. 30, behandelt
habe, sondern in einem Lokale, das sich im selben Hause
wie das Gastbaus ihres Gatten befindet. Ausserdem bat
der Staatsanwalt, die Folgen eines eventuellen Freispruches
zu berücksichtigen: ein Freispruch würde nur dazu beitragen,
den Glauben an allerhand ärztliche Zaubereien zu bestärken
und zu befestigen.
„Der Richter Dr. Gerstmann sprach jedoch die Angeklagte
frei, mit der Begründung, dass derselben keine gewinnsüchtigen
Absichten nachgewiesen werden konnten. Es
könne somit von einer gewerbsmässigen Ausübung des
ärztlichen Berufes nicht die Rede sein*
„Der Staatsanwalt meldete gegen dieses Urtheil, das
vom Publikum mit lebhaftem Beifalle begrüsst wurde, die
Berufung an." — So das „Wiener Tageblatt." —
Zum Schiuss empfehlen wir eine so eben von Herrn
Willy Reichel erschienene Schrift: — „Der Magnetismus und
seine Phänomene." (Berlin, Karl Siegismund, 1892) 84 S.
gr. 8° mit reichhaltigen Citaten und einer interessanten
Ueberschau des ganzen Gebietes allen Heilbedürftigen.
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