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Wittig: Der Spuk in L.*Lindenau v. d. königl. Schöffengericht. 51
und er hatte daher auch nur gesehen, wie das junge
Mädchen den Hammer weggelegt hatte.
,,Die Angeklagte bestreitet, dass sie jenes junge
Mädchen gewesen sei.
,,Die Zeugen Herren Polizei - Wachtmeister Pickert I.
und Schutzmann Weber waren von Herrn Polizeilieutenant
Lerz mit den Recherchen nach dem Klopfgeiste beauftragt
worden und sind mehrfach an Ort und Stelle gewesen. Das
Resultat ihrer Ermittelungen ist nach zwei Richtungen hin
interessant. Einmal gewinnt es nämlich nach ihren
Schilderungen — sie sind mehrfach dem Klopfgeiste auch
in seine höheren Regionen, in die oberen Etagen des Hauses,
nachgegangen — den Anschein, als ob die Angeklagte
keineswegs die einzige Klopferin gewesen sei. Weiter aber
erscheint durch ihre Beobachtungen als festgestellt, dass in
der Hauptsache am Treppengerüst die Klopferei stattgefunden
hat. Endlich ist es ihnen gelungen, Material zur
Ueberführung der Angeklagten herbeizuschaffen. Ein
siebenjähriges Schulmädchen, welches im Hause wohnt, hat
nämlich Herrn Wachtmeister Pickert L auf Befragen erzählt,
es sei einmal dazu gekommen, wie die Harting klopfte,
worauf ihr die Ueberraschte für ihr Schweigen Chocolade
anbot, ihr dagegen mit Schlägen drohte, falls sie etwas yon
dem Klopfen weiter erzählte. Dieses Kind hat vor Herrn
Polizeilieutenant Lerz dieselben Angaben wiederholt, und die
Angeklagte, welche man dem Kinde gegenüberstellte, hat
damals Herrn Lerz gegenüber eingestanden, dass sie den
Klopfgeist gespielt habe. Auch hat sie das betreffende
Protokoll unterschrieben. Weiter ist ermittelt worden, dass
auch der ungefähr elfjährige Bruder jenes Schulmädchens
die Angeklagte einmal beim Klopfen betroffen hat. Ein
weiterer Zeuge, ein Laternenwärter, welcher in seiner freien
Zeit in Sympathie macht und die Grabe des ,Versprechens*
von Krankheiten zu besitzen glaubt, erbrachte etwas
Wesentliches nicht. Er hat die üeberzeugung gewonnen,
dass in den oberen Etagen an der Treppe geklopft wurde.
„Der Vertreter der Anklage sowohl, wie der Vertheidiger,
Herr Referendar Dr. Kallir (für Rechtsanwalt Dr. Felix
Zehnte) beantragten schliesslich die Vorladung weiterer
Zeugen, die sie namhaft machten. Der Gerichtshof gab
den Anträgen *tatt und vertagte die Verhandlung. — A. G:'
Wir werden unseren Lesern demnächst wohl das mit
grosser Spannung erwartete Endresultat dieser Verhandlungen
vorlegen und unsere bescheidenen Bemerkungen daran
knüpfen.
4*
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