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54 Psychische Studien. XX. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1893,)
sei, der sie wohl am wenigsten selbst erlebt, meist nur aus
Ueberlieferungen seiner Vorfahren überkommen hat, so
verschmäht er doch nicht, sie seinen Lesern als höchst
interessant mitzutheilen. Wir thun dasselbe aus einem
weit triftigeren Grunde, weil dergleichen Geschichten
durchaus nicht blosser Aberglaube und Einbildung zu
Grunde liegen muss. Am Fusse des Kirchsteins mit den
Felskolossen der Benedikten wand, 1686 m über See, in der
Nähe der Karwendel gruppe, des Wettersteins und anderer
Hochalpenzacken liegt am Ende des Gebirgs-Strässleins von
Tölz über Lenggries, Hohenburg, Vorderriess, Wackersberg,
Arzbach das Dörflein Jachenau. „Ausserm Dorf" — erzählt
Achleitner — „steht von altersher eine Schmiede, bequem am
Strässlein gelegen, so dass der Fuhrmann den Meister rasch
zur Seite hat, wenn der Gaul frischen Beschlag braucht,
oder der Wagen der Ausbesserung bedarf. Der Bergbach
speist das Wasserwerk, welches den Blasebalg treibt, und
munter arbeitet der Bergschmied an der glühenden Esse,
mit ihm der wackere Geselle, genau so schwarz und fleissig
wie der Meister selbst. Der Schmied-i^/oH (Florian) ist trotz
seiner Jugend ein achtbarer Mensch, der grosses Ansehen
geniesst rechts und links der Isar. Die Fuhrleute kehren
am liebsten bei ihm ein, weil er nicht blos das Beschlagen
so gut los hat, sondern überhaupt viel vom Boss versteht,
und das erweckt bei den Fuhrleuten immer starkes Vertrauen
. Denn ein einziger Nagel, zu tief in den Huf
eingetrieben, macht den Gaul lahm, und zu wenig ist auch
vom (Jebel. Aber der Flori, der junge Meister, weiss den
Nagel auf den Kopf zu treffen und gerade recht in den
Huf zu treiben, so dass das Eisen nicht locker sitzt, 's ist
überhaupt ein halber Doctor, der Flori, der sich auch aufs
Menschenkuriren versteht, wenn's nicht schon gar zu weit
gekommen und mit der 'Sympathie' und mit dem 'Wasser'
noch was zu machen ist Der Flori hält gar viel auch auf
andere Einwirkungen; zuerst macht die Einbildung beim
Menschen sehr viel aus, dann das Wasser und die Luft
und die Kost, und endlich die guten und bösen Geister.
Der Flori sagt's, also muss es wahr sein, dass grad' der
Isarwinkel genug Geister habe in seinen Bergen. Man
darf blos das richtige Ohr haben, dann kann man beispielsweise
an windstillen Tagen ganz deutlich hören, wie es von
der ßenediktenwand her leise rollt und kugelt, als wenn
man Steine abladen wollte. Das sind die Klosterherren von
Benediktbeuren, die zum ewigen Kegelschieben verdammt
sind, weil sie selbst die besten Almen in Besitz genommen
und den armen Leuten den Viehauftrieb und die Weide
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