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Deinhard: Psycbik gegen Physik.
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gesprochen. Ob eine Trennung zwischen den höheren
Grundtheilen eintritt, dies ist von Nr. 5 (Mauas) dem
Willen abhängig. Durch diesen hängt Nr. 4 (Vehikel des
Willens) mit diesem selbst Nr. 5 zusHmmen. Freiheit des
Willens bedeutet Unterordnung von Nr. 4 unter Nr. 5,
d. h. der thierischen Triebe, der Leidenschaften unter die
Vernunft, Unfreiheit des Willens, demnach Beherrschung von
Nr. 5 durch Nr. 4. Auf der Ebene von Nr. 4 also kämpft
der Mensch den Kampf des Lebens. Nr. 4 bedeutet aber
nicht blos Thierseele, sondern auch geistiger Leib, und auf
dessen Verbindung mit den höheren Grundtheilen auch nach
der Trennung von Nr. 1, 2 und 3 kommt es an, damit ein
Fortleben nach dem Tode möglich ist. Denn schon im
irdischen Leben kann eine Trennung zwischen Nr. 4 und
Nr. 5 stattfinden, wenn der Mensch sich ganz der Macht
seines Instincts, seiner Leidenschaften ergiebt. Dann wird
Nichts den Process physischer Auflösung überdauern, was
an seine Persönlichkeit erinnert.
Ich übergehe absichtlich die Ausführungen des
Prof. Goues über das Schicksal des Menschen nach dem
Tode. Dass dieselben in die Wiederverkörperungslehre
einmünden, wird der denkende Leser aus dem Vorhergegangenen
unschwer errathen, und da der Gedanke der
Wiederverkörperung in deutschen Köpfen im Allgemeinen
noch wenig Platz gefunden hat, so will ich die Coues'sehen
Erörterungen über das jenseitige Geschick der verschiedenen
höheren Grundtheile oder Principien des Menschenwesens
unerwähnt lassen.
Bleiben wir also schön im Diesseits und betrachten uns
zunächst Nr. 5 (Mauas), so finden wir, dass dieser Grund-
theil bei den allermeisten Menschen nur ziemlich rudimentär
entwickelt ist, und dass es offenbar der Hauptzweck des
Lebens ist, diesen Grundtheil, die Menschenseele, zur Entfaltung
zu bringen. Wie verhält es sich nun weiter mit
Nr. 6 (Budähi)? Schon der Klang dieses Hinduwortes
erinnert uns an einen Religionsstifter des fernen Ostens,
und wir werden nicht fehl geheu, wenn wir vermuthen, dass
Nr. 6 die Geist-Seele nur äusserst selten bei einzelnen
wenigen erleuchteten Individuen zur Bntwickelung gelangt,
bei den allermeisten nur als schlummernder Keim, nur
virtuell vorhanden ist. Die grösste Mehrzahl lebt im Vollbesitz
von Nr. 1 bis 4 und merkt gerade von Nr. 5 so viel,
um gelegentlich einmal darüber nachzudenken«.
Und nachdem wir nun dieses altehrwürdige orientalische
Menschenschema uns vergegenwärtigt haben, fragen wir uns
einmal: — Wie verhält sich unsere orthodoxe Wissenschaft
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