http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1893/0093
*
Ullrich: Der Hypnotismus. 87
Am häufigsten sind die willkürlichen Bewegungen
der Suggestibilität unterworfen, und die hier auftretenden
Aenderungen grenzen geradezu ans Wunderbare. Man sagt
einer Versuchsperson, sie könne den Arm nicht heben, die
Pinger nicht bewegen, die Zunge nicht herausstrecken.
Jede Bewegung stockt. Man hebt d^n Arm in die Höhe
und sagt, derselbe sei ganz steif und unbeweglich, und der
Arm bleibt ganz starr. Dasselbe lässt sich auch für jede
mögliche Muskelstellung der Beine, des Rumpfes, kurz jedes
beweglichen Körpertheiles erzielen. Auch der ganze Körper
kann von der Starre ergriffen werden, wie dies schon der
Magnetiseur Hansen*) zeigte. Bei allen diesen Versuchen
ist die Person zugleich total unempfindlich. Die kataleptischen
(Stellungen der Glieder werden mitunter ausserordentlich
lange, selbst mehrere Stunden hindurch beibehalten. Einmal
blieb eine Person sogar 17 Stunden in dieser kataleptischen
Stellung" (siehe Moll, „Der Hypnotismus" S. 56). Müdigkeit
und Schmerzgefühl ist hinterher nicht vorhanden. Die
indischen Yogis verstehen es ausgezeichnet, sich durch
Autohypnose kataleptisch zu machen und sich dann in
diesem Zustande auf Tage, Wochen, ja Monate begraben
zu lassen. Es ist dies einer ihrer schwierigsten und am
meisten angezweifelten Kunststücke.**)
Andererseits können bestimmte Bewegungen anbefohlen
werden, die dann ganz mechanisch ohne
Aufhören erfolgen, als ob der Hypnotische ein Automat
wäre. So sah ich bei dem bekannten Hypnotiseur Donato
in Paris, wie er am Schluss des ersten Theiles seiner
Vorstellung zwei hypnotisirte Mädchen auf der Bühne
tanzen Hess, sie drehten sich dabei ganz automatisch wie
Kreisel Dies dauerte mindestens zehn Minuten, ohne dass
die beiden Personen hinterher irgend wie erschöpft
gewesen wären.
Neben dieser Befehls-Automatie giebt es auch
eine Nachahmungs-Automatie. Braid erzählt von
einem hypnotisirten jungen englischen Mädchen, welches
nur ihre Muttersprache kannte und nie singen gelernt
hatte, dass es Lieder vollkommen nachsang, welche die
schwedische „Nachtigall" Jenny Lind in französischer und
italienischer Sprache vortrug.
Die Sinnesorgane können ebenfalls ungemein stark
*) Siehe „Psych. Stud." 1879, 1880 u. s. w. die dort enthaltenen
Artikel über Hansen. — Die Eed.
**) Vergl. „Psych. Stud." September-Heft 1882 S. 407 Note; März
1888 8. 140 Juni 1890 S.292; noch Ausführlicheres s. „Sphinx" XIX,
79, Septfcr. 1892. — Die Red.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1893/0093