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Deinbard: Die Wemdinger sogenannte Teufelsaustreibung. 99
die Heilige Schrift aufschlagen. Der Heiland selbst hat
Besessene geheilt. Die 'Dämonen' haben Einfluss auf den
Menschen. Der Apostel Paulus redet davon, dass man
gegen die Geister der Besessenheit zu kämpfen habe. Der
Heiland hat der Kirche auch das gegeben, dass sie die
Geister vertreibt und bannen könne: — In meinem Namen
werdet ihr die bösen Geister austreibenV — Also Besessenheit
ist nicht zu bestreiten. Es fragt sich also nur, ob P.
Aurelian berechtigt war, in diesem Falle Besessenheit
anzunehmen. Da muss er das Rituale zur Hand nehmen.
Dort sind die Anzeichen gegeben. Personen, welche an
ausserordentlichen Zuständen leiden, Kräfte entwickeln, die
sie nicht haben können, lassen schon fürchten. — Der
zweite Grund zur Furcht ist besonders die Hagiophobie,
die Scheu vor Heiligen. Personen, die nicht vertragen
können, dass heilige Dinge in ihre Nähe kommen, geben
auch Anzeichen der Besessenheit. Drittens erwähne ich die
dämonische Ekstase selbst. Wenn Personen bei Vornahme
heiliger Handlungen das Bewusstsein verlieren, Dinge reden,
die sie sonst nicht sagen, so ist das auch ein Zeichen von
Besessenheit. Der Dämon setzt sich wirklich im Organismus
fest und operirt von dort aus. In den Organen des
Körpers nimmt er seine Handlungen vor, redet seine
Sprache. Wenn also ein Kind zu fluchen, toben und
schäumen anfängt, eine Kraft entwickelt, die einen starken
Mann zu Boden wirft, da kann man wohl annehmen, dass
der Dämon wirklich in ihm sitzt. Pater Aurelian war also
berechtigt, Besessenheit anzunehmen. Die zweite Frage ist
die, ob P, Aurelian berechtigt war, die Besessenheit zurückzuführen
auf ein maleficium. Auch dazu war er berechtigt.
Das Rituale macht es sogar zur Pflicht, za untersuchen,
was die 'causa possessionis1 (Ursache der Besessenheit) ist.
Bei dieser Untersuchung ist Rücksicht darauf zu nehmen,
ob die Besessenheit durch eine 'ars magiea' (Zauberkraft)
herbeigeführt ist. Das maleficium setzt ein pactum cum
daemone (ein Teufelsbündniss) voraus. Dass Menschen mit
Dämonen verbunden sein können, ist konstatirt durch die
Bibel und das Kanonische Recht. Oft bedient sich der
Dämon zu seinen Handlungen äusserer Mittel. Die 'damni-
ticatio' (Verwünschung) des Nächsten kann bestehen in einer
Schädigung in seiner Person und an seinen Sachen. Hier
hat der Knabe geantwortet, er dürfe nicht heraus, weil
Jemand den Teufel in ihn hineingewünscht und ihn immer
wieder verwünscht. Die Verwünschung war also irgend ein
Bund mit dem Dämon. Die Ursache; warum der Teufel
nicht herauskommen kann, war die, weil die Person das
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