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Wittig: Frau Valeska Töpfer vor der zweiten Berliner Instanz, 121
und Fragen vorgelegt, die ich gar nicht verstand. — Präsident:
— Sie haben dem Herrn Untersuchungsrichter doch Alles
haarklein erzählt und zwar Dinge erzählt, die der Herr
Untersuchungsrichter gar nicht wissen konnte. Sie haben
auch Herrn Dr. Strassmann zugestanden, dass Sie ein Gazekleid
bei Ihren Geistererscheinungen getragen haben? —
Angeklagte: — Ein Geist hat mir geschrieben, dass ich ein
Gazekleid anziehen solle, da ich andererseits meine Medienkraft
verlieren würde. — Präsident: — In einer Sitzung,
die Sie im Jahre 1891 in der Behrenstrasse bei Dr. Sauer
abhielten, ist sogar ein im Jahre 1791 verstorbener französischer
Tambour erschienen, der die Marseillaise sang und
das Lied „Ich hatte einen Kameraden" trommelte. Dies
Lied hat Uhland im Jahre 1810 erst gedichtet. — Angeklagte:
— Ich kann doch nicht dafür, wenn ein Geist einmal eine
Dummheit macht. (Heiterkeit.)*) — Präsident: — Angeklagte,
Sie müssen sich doch sagen, dass ein unsterblicher Geist
nicht auf den Wunsch einer armseligen sterblichen Frau
erscheinen und alle möglichen Allotria machen werde, wie,
dass der Geist Ihnen einen Stuhl auf den Kopf stellt, Ihnen
einen Stock ins Haar flechtet u. s. w. — Angeklagte: —
Das ist wohl richtig, ich kann aber nur sagen, dass ich von
den Geistererscheinungen nichts weiss, da ich alsdann immer
in einem träum ähnlichen Zustande mich befinde.**) — Der
Präsident verliest alsdann die kommissarische Aussage
des [Dresdener] Untersuchungsrichters, Landgerichtsraths
Dr. Weingart. Danach hat dieser bekundet, dass er die Angeklagte
selbstverständlich auf die Polgen des Meineides
aufmerksam gemacht habe, im Uebrigen bestreite er entschieden
, dass er ihr gedroht habe. Die Angeklagte habe
in durchaus freiwilliger Weise ihr Zeugniss abgegeben. —
Präsident: — In der Hauptverhandlung in Dresden wurde
Ihnen gesagt, dass Sie, wenn Sie befürchteten, Sie könnten
durch Ihr Zeugniss sich einer strafrechtlichen Verfolgung
aussetzen, Ihr Zeugniss verweigern können. — Angeklagte:
*) Hier hat doch der jedenfalls unsterbliche und deshalb das
Jahr 1791 seines leiblichen Todes, ferner das Jahr 1810 der Uhland'hchen
Dichtung und selbst das Jahr 1891 seiner Manifestation er- und tiberlebende
Geist keine Dummheit gesprochen, sondern nur die Voraussetzung
wäre nicht klug, dass ein Geist über seines Körpers Tod hinaus
nichts solle wissen können. Vgl. Note S. 125. — D. S. d. Red.
**) Wir erinnern hierbei an unsere 5. Anmerkung im Juni-lieft
1892 S. 283. Der Herr Vorsitzende muss gar keine Kenntniss von den
vielen Allotriis haben, welche Spukgeister aller Zeiten durch ihre
Medien verübt haben. Wir erlauben uns nur, hier auf des Sanitäls-
raths Dr. Bruno Schindler^ einschlägigen Werke hinzuweisen. Und
welchen Ulk treiben oft geistvolle Studenten! — D. Sekr. d. Ked,
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