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Wittig: Frau Valeska Töpfer vor der zweiten Berliner Instanz. 135
auf Aufhebung des ersten Erkenntnisses und Verurlheilung
der Angeklagten zu sechs Wochen Gefängniss, unter Fortfall
des Ehrverlustes. Der Gerichtshof hat sich wesentlich
den Gründen des ersten ürtheils angeschlossen. Auch er
ist der Meinung, dass die Vorspiegelung, Berührung mit
den Geistern zu haben, eine bewusst falsche gewesen, dass
sich die Angeklagte unberechtigten Vermögens vortheil
verschafft und die gläubigen Spiritisten getäuscht hat. Das
Gericht hat die volle Ueberzeugung, dass alle Productionen
der Angeklagten nicht mit Hilfe von Geistern, sondern von
ihr allein ausgeführt wurden. Selbsthypnotismus erscheine
ausgeschlossen, die Angeklagte habe vollkommen überlegt
gehandelt. Mit Rücksicht aber auf die allgemeine Sachlage,
auf die bedrängte Lage der Angeklagten und darauf, dass
ihr der lohnende Nebenverdienst geradezu aufgedrängt
worden, erscheinen sechs Wochen Gefängniss ausreichend.
[Nach etwa halbstündiger Berathung verkündet der Präsident,
Landgerichtsdirector Schenck, das Berufungsgericht sei der
Meinung des Schöffengerichts, dass die Angeklagte in der
Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvortheii zu
verschaffen, einen Irrthum erregt habe. Der Gerichtshof
habe die Ueberzeugung gewonnen, dass alle Productionen,
die die Angeklagte ausgeführt hat, von dieser selbst ausgeführt
worden sind. Unaufgeklärt ist nur das Töneklopfen
geblieben. Der Gerichtshof ist aber der Ueberzeugung, dass
auch dies die Angeklagte, die sich vielleicht im Besitze einer
geheimen physikalischen Kraft befindet, selbst hervorgebracht
hat. Die Angeklagte habe sich des vollendeten Betrugs
schuldig gemacht gegen die Spiritisten, die geglaubt haben,
die Angeklagte stehe mit Geistern in Verbindung, des versuchten
Betruges hat sie sich schuldig gemacht gegen
diejenigen Zeugen, die es von vornherein auf eine Entlarvung
abgesehen hatten. Der Gerichtshof habe auch die
Ueberzeugung gewonnen, dass die Angeklagte weder in
Hypnose gehandelt habe, noch dass ihre Willensbestimmung
beschränkt sei. Der Gerichtshof habe jedoch in der
Handlungsweise der Angeklagten eine ehrlose Gesinnung
nicht erblickt. [Was das Strafmaass anlangt, so hat der
Gerichtshof einmal erwogen, dass die Angeklagte doch
noch unbestraft ist, dass sie sich in sehr ärmlichen Verhältnissen
befindet, dass sie einen Mann und vier Kinder
zu ernähren hatte, und dass ihr das für ihre Produktionen
gezahlte Geld sehr willkommen war. Es ist endlich noch
erwogen worden, dass die Angeklagte zu den Productionen
aufgefordert worden ist, sich nicht aber dazu gedrängt hat.
Aus diesem Grunde hat der Gerichtshof in der Handlungs-
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