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168 Psychische Studien. XX. Jahrg. 3. Heft. (Marz 1893.)
und Zusehen, sondern eine vielfach auszugestaltende Hülfe
Noth thue. Man könne ebenso gut sagen: warum würden
die Leute irrsinnig, um sie daraufhin sich selbst zu überlassen
. Sage man dies doch nicht einmal denen gegenüber, die
mit freiem Willen und guter Erwägung sich einen Beruf gewählt
hätten und schliesslich sehen raussten, dass sie seiner, nicht
durch ihre Schuld ihnen zu gross gewordenen Last erlägen,
darüber in Noth, vielleicht in Verbrechen versänken.
Um wieviel weniger könne ein solches Wort von den
Medien gebraucht werden, dieser Parias der staatlich anerkannten
Kirchen, des staatlichen Rechtes, dei staatlichen
Wissenschaft — im 19. Jahrhundert!
Der IJndenauer Spuk.)
Ausgang des Prozesses in zweiter Instanz.
Zusammengestellt von Gr. C. Wittig.
Schöffengericht in Leipzig> den 23. Februar 1893.
Jene „spukhaften*4 Vorgänge im Hause Augustenstrasse 18
zu Lindenau, welche |v. 7.] September [bis 5.] October v. J.
so viel von sich reden machten, bildeten bereits am
5. November v. J. den Gegenstand einer Schöffengerichts-
Verhandlung gegen das 15jährige Dienstmädchen Annitta
Martha**) Harting aus Leutzsch wegen Verübung groben
Unfugs. Die Harting hatte seiner Zeit ein polizeiliches
Strafmandat in Höhe von zehn Mark erhalten, weil die
Behörde in ihr die Urheberin jenes Klopfens erblickte,
welches lange Zeit in Lindenau alle Gemüther erregte.
Damals hiess es: — „Bei Sander'* spukt es", viele Neugierige
pilgerten täglich nach der Sander1 sehen Restauration [„Zur
grünen Aue"] (L.-Lindenau [Ecke der Wettiner- undj
Augustenstrasse 18x, und der Wirth machte ein gutes
Geschäft dabei. In unserer Nummer vom 6. November v. J.
berichteten wir bereits ausfühilich über den Gang der Verhandlung
gegen Martha Harting. Das Gericht musste sich
mit der Sache beschäftigen, weil der Vater des Mädchens
*) Entnommen dem „General-Anzeiger für Leipzig" Nr. 54 v.
23. Februar er., verwoben mit dem Berichte der 1. Beil. des „Leipz.
Tageblatts" Nr. 1(K) v. 24. Februar er. in Eckklammern [ ]. Man vgl.
hieizu unsere früheren Berichte über die Verhandlung der ersten
Instanz in „Psych. Stud." November-Heft 1892 S. 579 ff., December-
Heft 1392 Ö. 579 ff. und Januar-Heft 1893 S. 47 ff. —
Der Sekr. d, Eed.
**) Andere Berichte nennen sie Martha AHda und Martha
Mwina. —
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