http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1893/0176
170 Psychische Studien. XX. Jahrg. 3. Heft. (März 1893.)
durch die sehr eingehende Beweisaufnahme gelungen wäre,
für sämmtliche seltsamen Vorgänge, die sich in der Zeit
vom 7. September bis 5. October v. J. mit Ausnahme von
drei Tagen alltäglich in der Sander'schen Restauration
abgespielt haben, die nöthige Aufklärung zu schaffen.]
Heute ändert das Mädchen aber seine frühere Aussage
wieder dahin, dass sie zum ersten Male, Mittwoch, den
7. September^ mit dem Teppichklopfer an das Holzgetäfei
der morschen Treppe gestossen habe. Die Sander'schen
Eheleute seien über die dumpfen Schläge sehr erschrocken
gewesen, und es habe sie amüsirt, dass ihr Dienstherr die
beiden von ihr verursachten Schläge als ein Anzeichen
dafür angesehen, dass seine in Grosszschocher lebende
geisteskranke Schwester, deren Ableben allerdings stündlich
zu erwarten war, gestorben sei. Da ihr die Sache nun
grosses Vergnügen bereitet, habe sie am nächsten Tage
wieder geklopft. Diesmal wurde die H. von einem Kinde
beobachtet, dessen Schweigen sie indes mit etwas Chocolade
leicht erkaufte. Am Sonnabend nächster Woche [24. September
) will sie wieder geklopft haben, diesmal aber nicht
absichtlich, sie sei beim Scheuern mit der Bürste an die
Treppe gestossen, wobei wieder die bekannten dumpfen
Töne erschollen. [Zugestandenermaassen hat die Harting
drei Mai geklopft. Zunächst am 8. September beim Fegen
der Kellertreppe. Hier hat sie nach ihrer Behauptung aus
Versehen mit dem Kehrbesen an die Treppenwand gestossen.
Am folgenden Tage hat sie, um die kleine Koch zu
schrecken, mit der Scheuerbürste zwei Mal auf die Kellertreppe
gepocht. Die kleine Koch hat ihr das sofort vorgehalten
, die Harting hat es auch zugestanden und ihr
Chocolade versprochen, wenn sie schweigen würde, ihr
Versprechen aber nicht gehalten. Endlich hat sie am
24. September, eines Sonnabends, [aber nicht] aus Muthwillen
auf die Treppe geklopft. Sie ist hierbei vom kleinen Koch
erwischt worden, als dieser ihr vorhielt, dass sie geklopft
hätte, gab ihm die Harting ein Paar Ohrfeigen. Der Lehrer
der Harting erklärte, dass dem Mädchen in sittlicher Beziehung
nichts Nachtheiliges nachgesagt werden könne, sie
sei aber beschränkt und habe in sieben Jahren nur fünf
der Classen durchgemacht und sei auch in der zweiten
Classe Letzte gewesen.] Am 13. September machten drei
hiesige Studenten den Versuch, die Ursache des geheimnissvollen
Klopfens zu erforschen. Der Vorgang wird unseren
Lesern noch erinnerlich sein. Die Anklage, welche sich
früher nur auf das zugestandene einzelne Klopfen bezog,
ist nun dahin erweitert worden, dass die H. beschuldigt
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1893/0176