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Nachschrift des Sekretärs d. Red. zum Stockholmer Spuk. 183
Gewährsmann Adolf Stern S. 814 a. a. 0. weiter: — „Der
Riesenpalast kehrt seine düstere Seite der Altstadt zu, und
auf dem Platze zwischen der grossen Kirche, der finnischen
Kirche und der Ober-Statthalterei kommt man mehr zum
Eindruck der Grösse und Massenhaftigkeit als der Schönheit
dieses Königssitzes. Bei der Anlage desselben ist eben der
Vordergrund der weit in die Stadt und bis zum Mälar hin
hereintretenden Ostseebucht maassgebend gewesen. Mächtig
und malerisch schön blicken die Nord- und Ostfront über
die Norrbro mit ihrem Strömparterre, über den Hafen uach
ßlasieholm und Skeppsholm hinüber, an stillen Wintertagen
oder gar bei Mondschein von einem magischen Schimmer
umwebt; der Schlosshügel hebt das ohnehin hochansteigende
Bauwerk mit seinen grossen Linien über die Brücken und
Inseln, über den Flutspiegel gebietend empor. Im Inneren
des Schlosses, soviel ich davon gesehen habe, herrscht eine
unübersehbare Mannigfaltigkeit: über Prachttreppen und
durch kostbar geschmückte Säle gelangt mau zu behaglichen
Zimmerfluchten; an grosse, prunkhafte, auf Hunderte und
Tausende berechnete Festräume stossen zahlreiche
Wohnungen. Aber auch öde und enge Gänge, wunderliche
Winkel und dunkle Räume genug sind vorhanden, und eine
Wanderung durch und über solche, bei der mich einer der
eigentümlich kostümirten Trabanten mit den grossen gelb
und blauen Federbüschen aus den königlichen Audienzsälen
hinüber nach dem „Comptoir" des Hofmarschallamtes führte,
wird mir mit ihren seltsamen Gegensätzen unvergesslich
bleiben. Der Schlossbau ist eben zu riesig und umfassend,
er dient zu verschiedenen Zwecken, um im Inneren überall
gleich ausgestattet zu sein.. . Es ist ja leicht genug, gerade
diese Räume des Stockholmer Königsschlosses [Stern meint
die vorhergehend näher beschriebenen Prunksäle, die grosse
Galerie und andere Repräsentations-Gemächer] mit dunklen
Gestalten zu bevölkern und mit schwüler Atmosphäre zu
erfüllen. Denn hier sind die [von mir als erst lange nach
der eigentlichen Erfüllung der Vision Karfs XL stattgefunden
nachgewiesenen] beliebten Verschwörungen der Bühne, bei
denen die Theilhaber vom Ball zum Triumph oder zum
Richtblock eilten, während des XVIII. Jahrhunderts nur
allzusehr Wirklichkeit gewesen; um die Wette haben sich
Schwedens Könige und Schwedens Adel gegeneinander
verschworen. Aber das Charakteristische jener Zeit blieb
eben doch die Lebenslust und die Genussfreude. Man kann
sicher sein, dass die um Blut und Leben spielenden Edel-
leute der Hut- und Mützenpartei, dass König Gustav III.
am Vorabend der von ihm unternommenen Staatsstreiche
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