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Handrich: Fin weiblicher Moses.
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ich die Tafeln mit der linken Hand am Rahmen, zog sie
unter der Tischdecke hervor, hob sie von einander, legte
den dazwischen befindlichen, noch genau so eng wie zuvor
zusammengefalteten Papierstreifen auf den Tisch und warf
einen Blick auf die voll beschriebene Innenseite der einen
der beiden Tafeln. Die mit: — „Mutter" — unterzeichnete
Botschaft händigte ich dann behufs Kenntnissnahme
meinem Freunde ein, welcher, nachdem er dieselbe flüchtig
tiberlesen hatte, uns deren Inhalt laut vorlas.
Einflechten möchte ich, dass auch, mit Bezug auf das
bei diesem sowohl, als bei anderen Anlässen vernommene
Pochen, sich eine analoge Stelle im 2. Mose 18,16 vorfindet:
— „Als nun der dritte Tag kam, da erhob sich ein
Donnern und Blitzen und eine dicke Wolke auf dem
Berge, und ein Ton einer sehr starken Posaune", — nur
mit dem Unterschiede, dass auf Grund des Sprüchwortes:
— „Grosse Ursachen, grosse Wirkungen!" — der Führer
und Leiter eines ganzen Volkes sich gewaltiger offenbart,
wie der schlichte Genius familiaris eines um seine Existenz
kämpfenden Weibes.
Was die Botschaft selbst anbetrifft, so trug dieselbe
die Ueberschrift: — „My dear son" („Mein lieber Sohn"),
war in schönem, lesbarem und grammatikalischem Englisch
abgefasst, und verbreitete sich über den hohen Genuss,
welcher der Verfasserin aus dem Verkehr mit ihrem Sohne
erwachsen sei. Es war dieses freilich keine directe Beantwortung
der von meinem Freunde an seine Mutter
gerichteten Frage nach deren Namen, und ebenso wurde
meine Bemerkung, dass jedenfalls nicht sie selbst, sondern
nur eine vermittelnde Intelligenz die Botschaft zu Tafel
gebracht habe, durch dreimaliges Pochen bejaht. Die
Schwierigkeit für die mit dem Verkehr unbewanderten
Geistwesen, sich zu identificiren, erscheint mir sehr natürlich,
und kann an uns selbst nach einem traumschweren Schlafe
wahrgenommen werden. Unser zum Bewusstsein gelangtes
„Ich" erinnert sich noch schwach der Traumbilder und
fühlt das Empfinden nach, welchem unser geistiges Ego
während des unbewussten Zustandes unterlag (sei dasselbe
nun angenehmer oder beängstigender Natur gewesen); aber
die Erlebnisse selbst getreulich und der Reihenfolge nach
wiederzugeben, ist dem Menschen in den seltensten Fällen
vergönnt. Fassen wir nun noch überdiess in's Auge, dass
solche sich offenbarende Wesen gleichzeitig sich fremder
Werkzeuge, d. h. der Nervaura des Mediums und in den
meisten Fällen der Vermittelung ihrer geniorum loci oder
geistigen Kontrolwesen bedienen müssen, so können wir
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