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192 Psychische Studien. XX. Jahrg. 4. Heft. (April 1893.)
versehenen Meubel inspicirt, als sie nach Verlauf einer
weiteren Viertelstunde, wahrscheinlich zufälliger Weise, das
Zimmer wieder betrat, da ich aus der Frage, ob ich eine
Sitzung begehre? annehmen musste, dass sie ihren „Professor"
rein vergessen hatte.
Endlich sass ich den goldschimmernden Zähnen wieder
gegenüber, senkte meinen Blick wieder in die braunen,
herausfordernden Augen, wieder ruhte die linke Hand meines
vis-ä-vis in meiner Rechten unter der wo möglich noch
schmutzigeren Tischdecke, während unsere ireien Hände
auf derselben lagen; wieder vernahm ich zwischen den mit
einem feuchten Lumpen gereinigten Tafeln das flüchtige
Schreiben von einem unsichtbaren Amanuensis. Welchen
von den drei von mir beschriebenen Papierstreifen ich vor
Beginn der Operation zwischen die Tafeln gelegt hatte,
wusste ich vorsätzlich selbst nicht. Sie waren von gleichem
Format und gleich eng zusammengefaltet. Erst nachdem
das „Schreiben" auf den Tafeln, das diesmal mehr Zeit in
Anspruch nahm und anscheinend von verschiedenen Wesen
herrührte, beendet war, (was aus einem kräftigen Pochen
hervorging), und ich den Papierstreifen entfaltete, ersah
ich, dass er an meinen in Lima verstorbenen Jugendfreund
A. Ä. adressirt war. Die Botschaft auf der Innenseite der
einen Tafel dagegen war „an meinen lieben Sohn" gerichtet
und trug die Unterschrift „Mutter".
Der Inhalt derselben bezog sieb auf das Fortbestehen,
eventuell Weiterleben nach der mit „Tod" bezeichneten
„Wiedergeburt" des individuellen Ego.
Die gegen die Tischplatte zugekehrte Seite der anderen
Tafel enthielt eine, in durchaus verschiedenem Schriftcharakter
ausgeführte Kundgebung eines Knaben an seinen
Vater, die ich als nicht für mich bestimmt erklärte.
Während des zweiten Versuches verfuhren wir in der
vorerwähnten Weise, nur mit dem Unterschied, dass mir
das Medium auf meine Bitte, und während ich den
„Modus operandi" des „Sehreibens" zu ergründen suchte,
den Inhalt eines auf sie bezüglichen Zeitungsartikels vorlns.
Es geschah dieses von meiner Seite nur, um sie anderweitig
zu beschäftigen, was aber, ^\ie es sich herausstellte, durchaus
keinen Einfiuss auf das Zustandekommen näherer Kundgebungen
ausübte. Plötzlich unterbrach sie mich mit der
Frage: — „Wei ist das: meine LiebenV" („Who is meine
Lieben?") — Da ich nicht wusste, was der zwischen den
Tafeln befindliche Papierstreilen enthielt, so sah ich der
Fragestellerin ziemlich verdutzt in die forschenden Augen
und gab ihr sofort die gewünschte Uebersetzung, da ich
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