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Bahn: Bericht über einen örtlichen Spuk in Berlin.
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Hause ist und sich am Fenster sitzend mit Strümpfestopfen
beschäftigt. Da fängt es wieder in dem Album
an zu knistern, sodann giebt es sechs starke Schläge mit
grosser Vehemenz auf den Tisch, wie mit einem Stock, so
dass sie das Sausen des anscheinend die Luft durchschneidenden
Stockes deutlich vernahm. Frau S. sitzt
zitternd und vor Angst schwitzend da, läuft dann aber
schnell in die Küche; kaum ist sie dort, so fängt es auch
in der Küche in allen Greräthen unheimlich an zu knistern,
auch empfindet sie wieder eine eisige Luft, welche auf sie
zuströmt. Frau S. erzählt Abends das Vorgefallene ihrem
Ehemann, und als derselbe die Tischdecke fortnimmt,
bemerken beide, dass der mit Wachstuch bezogene,
23 Jahre in Gebrauch befindliche zollstarke Tisch der
Länge nach durch und durch zerborsten ist.*)
Die Tochter musste nun auf der Mutter energisches
Verlangen am folgenden Tage zu Hause bleiben. Vormittags
längt wieder der Tisch an zu tanzen, worauf beide ihn nach
dem Ladenraume tragen; als sie wieder in die Stube
zurückkehren, fällt etwas Schweres auf ein kleines
Spindchen nieder, so dass ein GekÜir entsteht, als ob die
darauf stehenden Nippuichen und Vasen in tausend
Scherben zerbrächen. Ah beide schnell hinbringen und
nachsehen, steheu alle Gegenwände auf dem Spindchen
unverletzt da, und sie entdecken den Gegenstand nicht,
der scheinbar darauf niederfiel. Darauf fing es wieder im
Kleiderschrank an zu knallen, in den Dielen zu rumoren,
zu klimpen, wie mit Kettchen, und in der L ift zu hausen,
auch wird Frau S. au den Haaren hochgezo 4011.
Sonntag sitzt die Familie bei Tibche. Da hat Frau S.
die Empfindung, als wenn ihr ein Wurm übers Gesicht
krieche, welchen sie vergeblich hinweg zu wischen sucht.
Mann und Tochter können jedoch nichts entdecken. Dann
ist es ihr wieder, als ob eine grosse Fliege auf sie zugeflogen
komme. Montag will Frau S. ihr Waehfass dicht macheu,
welches spack (leck) geworden war; sie stellt einen Eimer
hin, setzt das Waschfass darauf und giesst Wasser in
dasselbe. Kaum hat sie die Hände im Wasser, als das
Waschfass zu schwanken anfängt, und das Wasser wird
ihr ins Gesicht gespritzt. Sie stellt schnell das Waschfass
wieder fort und läuft in die Stube, da fängt die Hänge-
*) Uer lisch ist, wie gesagt, 23 Jahre im Gebrauch, die Platte
besteht also nicht aus noch feuchtein Holz, das ein Platzen mit
Knallen erklärbar machte. Es würde dann auch nur ein Knall stattgefunden
haben, während es sechs Schläge in Intervallen waren. —
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