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228 Psychische Studien. XX. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1893.)
lampe wieder an zu schwingen, auch wird Frau S.
anscheinend wie mit Nadeln gestochen. Die Stiche hinterlassen
schwarze Pünktchen in der Haut, die sie abkratzen
kann.*)
Tags darauf verlangt ihr Mann, dass sie zur Polizei
gehen soll, um den Unfug anzuzeigen. Als sie dies schweren
Herzens thut und dem Wachtmeister ihre Leiden klagt,
wird sie ausgelacht und erhält den Bescheid, die Polizei
könnte dabei nichts thun (also endlich!), das mache
der Spuk von Resau, sie solle wiederkommen, wenn
der Lieutenant zugegen sei. Dies hat Frau S. als unnütz
nun nicht gethan. Zu Hause gekommen, sitzt sie betäubt
und verzweifelt da und denkt über ihr unerklärliches
Unglück nach; da packt eine Faust sie im Genick, und es
fängt so recht höhnisch und unheimlich an, hinter ihr zu
lachen; sie kann deutlich das Lachen zweier Männerstimmen
unterscheiden. Plötzlich klopft es an der Flurthür; als sie
schnell hinläuft und öffnet, ist Niemand zu sehen. Hinter
dem Ofen fängt es an zu sausen und mit der Ofenthür
zu klappern. Ihr Mann, der inzwischen zu Tische gekommen
war, hört das Sausen auch. Beim Mittagstisch klopft es
wieder an die Thür, doch ist abermals Niemand da, der
Einlass begehrt, als sie schnell nachsehen. Hiernach ist es
still bis zum Abend. Um halb zehn Uhr ging Herr & zu
Bett und war bald eingeschlafen, während Frau S. noch
eine Weile herumhantirt und sich dann ebenfalls niederlegt.
Kaum liegt sie im Bette, als das Sausen wieder beginnt.
Frau S weckt bchnell ihren Mann, mit welchem sie
zusammenschläft, so dass er das Sausen ebenfalls hört.
Beide Ehegatten schlummern indess wieder ein, werden
aber von einem Geräusche munter, welches auf dem Hofe
vor ihrem Kellerfenster stattfindet. Horchend liegen sie
da, und beide unterscheiden deutlich zwei Männerstimmen,
die zusammen flüstern und sich erzählen, dazu das höhnische
Kichern eines Frauenzimmers, sowie ein Hin- und Hergehen
vor dem Fenster. Plötzlich hörten Beide die Schritte durch
das Fenster in die Stube kommen an das Bett, worin sie
liegen, und es fängt an, die Bettdecke wegzuziehe . Frau
S. ist vollständig in Schweiss gebadet, und beide Ehegatten
beten laut in ihrer Herzensangst. An Schlafen war in
dieser Nacht nicht mehr zu denken. Am Tage darauf ist
es verhältnissmässig luhig, bis auf ein knisterndes Geräusch
*) Auf meine Aufforderung hat Frau S. die abgekratzte Masse
aufgehoben. Ich lasse dieselbe untersuchen, ob es verbrannte
Epidermis, Phosphor, oder sonst etwas ist. - M. ß.
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