http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1893/0261
Schulz: Spukhafte Fälle aus meiner Familiengeschichte. 255
n. Fall.
Bemerkenswerth ist hier, und deswegen erwähne ich es,
dass die „Wendler'sehe" Schule, der Sage nach, ihre Entstehung
einer sehr ominösen Geschichte verdankte,
die mit einem Grabe, das verkehrt lag, und auf dessen
Gedenkstein sich eine in Stein ausgemeisselte Ziegenhaut
(n. A. Kuhhaut) befand, zusammenhing. Die Geschichte
ist zu delicat, um sie hier zu specialisiren. Das sollte sein,
oder war, eine Strafe für ein Vergehen, das heute nach dem
Reichs-Straf-Gesetz-Buch § 176 abgeurtheilt werden dürfte.
Von dieser ganzen Geschichte sage ich: — „Nichts Neues
unter der Sonne!" — Soll ja dergleichen selbst in Pürstenfamilien
vorgekommen sein. Das Grab befand sich auf der
ersten Abtheilung, die jetzt in einen Park verwandelt ist,
des alten Johannisfriedhofes, nahe am Eingange in das alte
Spittelgut in Leipzig. Wie oft habe ich als Knabe schon
von diesem nach unserer Sitte verkehrt gelegten Grabe, wo
der Entschlafene nur, wie man annahm, nach Westen sehen
konnte, während alle Anderen nach Osten, nach Sonnenaufgang
, in das Symbol des Lichtes blickten, erzählen hören»
Na, andere Zeiten, andere Sittenl
Da wir uns jetzt auf dem Gottesacker, wie wir
früher sagten, befinden, so will ich gleich noch einer recht
wunderbaren Geschichte gedenken, die in einem auf
dem Johannisfriedhof befindlichen Begräbniss-(Schwieb-
bogen) passirt ist. Die Erzählung lautete folgendermaassen:
— „Eine Familie, die in Leipzig wohnte und eine Familiengruft
im Johannisfriedhofe (hinter den Scheunen des alten
Spitteigutes gelegen) ihr Eigen nannte, hatte ihr letztes liebes
Kind durch den Tod verloren und Hess die kleine Leiche in
der ihnen zugehörigen Gruft beisetzen. Da nun die Elternliebe,
wie sie ja so gern tbut, das Kind bei seinen Lebzeiten mit
mannigfachem und nützlichem Spielzeug beschenkt hatte,
so bemerkte man zum grossen Erstaunen, dass, nachdem
die kleine Leiche aus deai Hause getragen worden war, das
Spielzeug so lebhaft bewegt wurde, als wenn das Kind,
wie bei seinen Lebzeiten, noch eigenhändig damit spielte.
Diese und noch einige andere wunderbaren Erscheinui gen
berühiten die Eltern aufs schmerzlichste, weil sie glaubten,
ihr liebes Kind könnte keine Euhe finden. Eines Tages,
als die betrübte Mutter ihr liebes Kind auf dem Gottesacker
besuchen kam, trifft sie mit einer alten, sogenannten
Gräberfrau, das ist eine Frau, die eine Anzahl Gräber in
gutem Stande zu erhalten hatte, zusammen. Nun, wess
das Herz voll ist, dess geht der Mund über, sagt die
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1893/0261